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Der Schwur des Maori-Mädchens

Der Schwur des Maori-Mädchens

Titel: Der Schwur des Maori-Mädchens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Walden
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geschickt hat.«
      »Ehebrecher?« Peter sah Vivian verwirrt an. »Ehebrecher?«
      »Ja, was ist es denn sonst, wenn ein verheirateter Familienvater eine junge Frau schwängert?«
      »Aber ich war nicht verheiratet, als ich deine Mutter ...«
      »Ach nein? Und wie komme ich sonst zu einem älteren Bruder?«
      »Bruder?«, wiederholte er und fügte leise hinzu: »Ich wünschte, er wäre es!«
      Jetzt war es an Vivian, den Bischof verwirrt anzusehen. »Wieso? Ist Frederik denn nicht Ihr Sohn? Ihre Frau machte da vorhin eine ganz andere Andeutung. Sie warf ihm vor, dass er mir gegenüber brüderliche Regungen zeige.«
      Der Bischof holte tief Luft. »Er ist nicht mein leiblicher Sohn. Ich habe meine spätere Frau nach meinem Aufenthalt in London kennengelernt. In Australien, wo ich ein paar Jahre als Reverend gearbeitet habe. Der Junge war damals fünf Jahre alt, als ich zurückkehrte ... In Auckland gilt Frederik allerdings als mein leiblicher Sohn.«
      Vivian machte eine abwehrende Handbewegung. »So genau wollte ich es auch wieder nicht wissen. Ich habe schon begriffen, dass hier alles nur schöner Schein ist. Wahrscheinlich wären Sie ohne eine intakte Familie und diesen prachtvollen Sohn niemals Bischof geworden, nicht wahr? Und eine uneheliche Tochter passt da schon gar nicht ins Bild. Aber keine Sorge, von mir wird es keiner erfahren. Weil ich Sie nämlich gar nicht zum Vater möchte!«
      Peter lief rot an.
      »Mister Newman, sagen Sie mir nur eines: Sind Sie wirklich mein Vater? Oder ist das auch alles nur Lüge?«
      »Nein, du bist meine Tochter«, murmelte er kaum hörbar. »Aber nun sollten wir zu Tisch gehen. Ich denke, das Essen wird zubereitet sein«, fügte er hastig hinzu.
      Mit diesen Worten erhob er sich hinter seinem Schreibtisch, und Vivian entdeckte, wie groß er war. Hager, rotblond und weißhäutig. Es gab noch vieles zu klären, aber für heute hatte sie genug. Doch eines war ihr sonnenklar: Wenn sie dieses Land in drei Jahren als freie Frau verließ, dann mit dem sicheren Wissen, was es mit ihrem Aussehen wirklich auf sich hatte. Der italienische Großonkel kam ihr immer absurder vor.
      Tief in Gedanken versunken, trat sie auf den Flur hinaus und wäre beinahe mit Frederik zusammengestoßen.
      »Oh, entschuldigen Sie bitte«, sagte sie und lächelte ihn freundlich an.
      »Was ist denn mit Ihnen geschehen? Eben dachte ich noch, Sie wollten mich fressen«, erwiderte er erstaunt.
      »Es war ein dummes Missverständnis. Ich habe irrtümlich geglaubt, Sie seien ein anderer.«
      »Sie machen mich neugierig. Wer sollte ich denn sein?« Jetzt lächelte er ebenfalls.
      »Mein Bruder!«
      »Na ja, das bin ich in gewisser Weise schon, wenn auch nicht wirklich mit Ihnen verwandt.«
      Vivian lachte gequält.
      »Und könnte die Erkenntnis, dass ich nur so etwas wie ein entfernter Stiefbruder bin, an Ihrer schroffen Absage womöglich etwas ändern?«
      Vivian sah ihm in die Augen. Sie strahlen so viel Lebensfreude und Zugewandtheit aus, dachte sie und merkte, wie mit einem Mal die ganze Anspannung der letzten Stunden von ihr abfiel. Langsam kehrte ihre Stärke zurück, und sie war entschlossen, sich nicht unterkriegen zu lassen und vor allem das Beste aus der Situation zu machen.
      »Ich begleite Sie gern, Fred«, flötete sie. »Aber kann ich Ihnen auch wirklich helfen? Ich möchte nicht nur herumsitzen«, fügte sie eifrig hinzu.
      »Und wie! Sie schreiben alles mit, was der alte Maori sagt, zu dem wir reisen, damit ich mich auf meine Fragen konzentrieren kann.«
      Vivians Wangen röteten sich vor Aufregung. Die Aussicht, mit einem erfahrenen Reporter auf eine Recherchereise zu gehen, erfüllte sie mit tiefer Befriedigung. Einmal davon abgesehen, dass ihr Frederiks Gegenwart wesentlich angenehmer war als die des schrecklichen Bischofs und seiner grässlichen Frau.
     
     

Parnell/Auckland, Februar 1920
     
    Bei Tisch ging es für Vivians Empfinden entsetzlich steif zu. Das lag nicht nur an dem endlos langen Gebet, das so lange gesprochen wurde, bis das Essen fast kalt war, sondern daran, dass ansonsten kaum ein Wort gewechselt wurde. Das Einzige, was sie dieses Essen überstehen ließ, waren die aufmunternden Blicke, die Fred ihr zuwarf. Und die ausdrückliche Erlaubnis des Bischofs, dass sie den jungen Reporter nach Whangarei begleiten durfte. Und das, obwohl Rosalind von dem Plan alles andere als begeistert war.
      Mein so genannter Vater ist

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