Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen
keine dieser Absichten wirklich ausgeführt worden, sondern sie alle hätten im Stadium des Versuches stehen bleiben müssen. Darum könne von Aufknüpfen oder lebenslänglichem Einsperren keine Rede sein. Er frage hiermit Jedermann, ob der bloße Versuch einer That irgend Jemand in Schaden gebracht habe oder überhaupt in Schaden bringen könne. Gewiß niemals und auch hier nicht! Da also keinem Menschen ein Schaden erwachsen sei, so müsse er unbedingt auf vollständige Freisprechung dringen, wodurch die Mitglieder des hohen Gerichtshofs und alle weiteren respectablen Anwesenden sich das Zeugniß menschenfreundlicher Gentlemen und friedfertiger Christen ausstellen würden. Auch ihm gaben einige wenige Stimmen Beifall. Er machte eine tiefe, halbkreisförmige Verbeugung, als ob alle Welt ihm zugejubelt habe.
Darauf erhob sich der Vorsitzende zum zweiten Male. Zunächst bemerkte er, daß er es in voller Absicht unterlassen habe, nach den Namen und »sonstigen Angewohnheiten« der Angeschuldigten zu fragen, da er vollständig überzeugt sei, daß sie ihn doch belogen hätten. Im Falle des Aufknüpfens schlage er also vor, der Kürze wegen einen einzigen und summarischen Todtenschein auszustellen, welcher ungefähr lauten werde: »Neunzehn Kukluxer aufgehängt, weil sie selbst daran schuld waren.« Er gebe ferner zu, daß man es nur mit Versuchen zu thun habe, und wolle darnach die Schuldfrage stellen. Aber nur den beiden fremden Gentlemen haben wir es zu verdanken, daß aus dem Versuche nicht die That geworden sei. Der Versuch sei gefährlich, und diese Gefahr müsse bestraft werden. Er habe weder Lust noch Zeit, sich stundenlang zwischen dem Staatsanwalte und dem Vertheidiger hin und her zu bewegen; auch könne es ihm nicht einfallen, sich übermäßig lange mit einer Bande zu beschäftigen, welche, neunzehn Mann stark und sehr gut bewaffnet, sich von zwei Männern habe gefangen nehmen lassen; solche Helden seien nicht einmal der Aufmerksamkeit eines Kanarienvogels oder Sperlings werth. Er habe sich schon sagen lassen müssen, daß er wohl gar ein Freund der Kukluxer sei; das könne er nicht auf sich sitzen lassen, sondern er werde dafür sorgen, daß diese Leute wenigstens beschämt abziehen und das Wiederkommen für immer vergessen müßten. Er stelle also hiermit an die Herren Geschworenen die Frage, ob die Angeklagten des Versuches des Mordes, des Raubes, der Körperverletzung und der Brandstiftung schuldig seien, und bitte, die Antwort ja nicht bis zum letzten Dezember des nächsten Jahres hinauszuschieben, denn es seien da vor der Jury eine ganze Menge sehr hochachtbarer Zuhörer versammelt, denen man die Entscheidung nicht lange vorenthalten dürfe.
Seine sarkastische Ausführung wurde mit lautem Beifalle belohnt. Die Herren Geschworenen traten in eine Ecke zusammen, besprachen sich nicht zwei Minuten lang, und dann theilte ihr Obmann dem Vorsitzenden das Resultat mit, welches letzterer verkündigte. Es lautete auf schuldig. Nun begann eine leise Berathung des Sheriffs mit seinen Beisitzern. Auffällig war es, daß der erstere während dieser Berathung den Befehl ertheilte, den Gefangenen Alles abzunehmen, was sie in ihren Taschen mit sich führten, besonders aber nach Geld zu suchen. Als dieser Befehl ausgeführt worden war, wurde das vorhandene Geld gezählt. Der Sheriff nickte befriedigt vor sich hin und erhob sich dann, um das Urtheil zu verkündigen.
»Mesch’ schurs,« sagte er ungefähr. »Die Angeklagten sind als schuldig erkannt. Ich glaube, es entspricht Eurem Wunsche, wenn ich Euch, ohne dabei viele Worte zu machen, sage, worin die Strafe besteht, zu deren Verhängung und sehr energischen Durchführung wir uns geeinigt haben. Die in Rede stehenden Verbrechen sind nicht ausgeführt worden; daher haben wir, dem Herrn Vertheidiger gemäß, welcher an unsere Humanität und christliche Gesinnung appellirte, beschlossen, von einer directen Bestrafung abzusehen – – –«
Die Angeklagten athmeten auf; das sah man ihnen an. Unter den Zuhörern wurden einzelne Rufe der Unzufriedenheit laut. Der Sheriff fuhr fort:
»Ich sagte bereits, daß der Versuch eines Verbrechens eine Gefahr mit sich bringe. Wenn wir diese Kukluxer nicht bestrafen, so müssen wir wenigstens dafür sorgen, daß sie uns fernerhin nicht mehr gefährlich werden können. Daher haben wir beschlossen, sie aus dem Staate Texas zu entfernen, und zwar in so beschämender Weise, daß es ihnen wohl nicht einfallen wird, sich hier jemals
Weitere Kostenlose Bücher