Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Titel: Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
Vertheidiger erhielt sein Geld, und viele rannten fort, um ihre Frauen zum Ball zu holen; viele Andere kamen und brachten alle möglichen Arten von Scheeren mit sich geschleppt. Ich wollte mich gern ärgern, brachte es aber nicht fertig und stimmte in Old Death’s Gelächter ein, dem dieser Ausgang des Abenteuers außerordentlichen Spaß bereitete. Die Kukluxer wurden wirklich kahl geschoren. Dann begann die Versteigerung. Die Gewehre gingen schnell weg und wurden sehr gut bezahlt. Auch von den übrigen Gegenständen war bald nichts mehr vorhanden. Der dabei verursachte Lärm, das Kommen und Gehen, das Drängen und Stoßen war unbeschreiblich. Jeder wollte im Salon sein, obgleich derselbe nicht den zehnten Theil der Anwesenden faßte. Dann stellten sich die Musikanten ein, ein Clarinettist, ein Violinist, ein Trompeter und Jemand mit einem alten Fagotte. Diese wunderbare Kapelle postirte sich in eine Ecke und begann, ihre vorsündfluthlichen Instrumente zu stimmen, was mir einen nicht eben angenehmen Vorgeschmack der eigentlichen Leistungen gab. Ich wollte gehen, besonders da jetzt auch die Ladies auf dem Schauplatz erschienen, aber da kam ich bei Old Death schön an. Er erklärte, wir beiden, die wir doch eigentlich die Hauptpersonen seien, müßten nach all den Mühen und Gefahren nun auch das Vergnügen genießen. Der Sheriff hörte das und stimmte ihm bei, ja, behauptete mit aller Energie, daß es eine Beleidigung der ganzen Bürgerschaft von La Grange sein würde, wenn wir beide uns weigerten, den ersten Rundtanz anzuführen. Er stelle dazu Old Death seine Gemahlin und mir seine Tochter zur Verfügung, welche beide ausgezeichnete Tänzerinen seien. Da ich ihm zwei Zähne ausgeschlagen habe und er mir einige Male in die Rippen gerathen sei, müßten wir uns selbstverständlich als wahlverwandt betrachten, und so würde ich seine Seele auf das tiefste kränken, falls ich ihm seine dringende Bitte, hier zu bleiben, nicht erfülle. Er werde dafür sorgen, daß ein Extratisch für uns reservirt werde. Was konnte ich machen? Unglücklicher Weise stellten sich in diesem Augenblicke seine beiden Ladies ein, denen wir vorgestellt wurden. Mitgegangen, mitgefangen, mitgehangen! Ich sah ein, daß ich den berühmten Rundtanz riskiren müsse und vielleicht noch einige Rutscher und Hopser dazu, ich, einer der Helden des heutigen Tages und – Privatdetective incognito.
    Der gute Sheriff freute sich vielleicht außerordentlich, uns den Göttinen seiner Häuslichkeit geweiht zu haben. Er besorgte uns einen Tisch, welcher den großen Fehler hatte, nur für vier Personen auszureichen, so daß wir ohne Gnade und Barmherzigkeit den beiden Ladies verfallen waren. Die Damen waren kostbar. Die amtliche Stellung ihres Gatten und Vaters erforderte, daß sie sich mit möglichster Würde gaben. Die Mama war über fünfzig, strickte an einer wollenen Leibjacke und sprach einmal vom Codex Napoleon; dann aber schloß sich ihr Mund für immer. Das Töchterlein über dreißig alt, hatte einen Band Gedichte mitgebracht, in welchem sie trotz des uns umtobenden Höllenspektakels unausgesetzt zu lesen schien, beehrte Old Death mit einer geistreich sein sollenden Bemerkung über Pierre Jean de Beranger, und als der alte Scout ihr aufrichtig versicherte, daß er mit diesem Sir noch niemals gesprochen habe, versank sie in ein ewiges Stillschweigen. Als Bier herumgereicht wurde, tranken unsere Damen nicht; als aber der Sheriff ihnen zwei Gläser Brandy brachte, belebten sich ihre scharfen, menschenfeindlichen Züge.
    Bei dieser Gelegenheit gab mir der würdige Beamte einen seiner bekannten Rippenstöße und flüsterte mir zu:
    »Jetzt kommt der Rundtanz. Greift nur rasch zu!«
    »Werden wir nicht abgewiesen?« fragte ich in einem Tone, welchem jedenfalls viel Vergnügen nicht anzumerken war.
    »Nein. Die Ladies sind gut informirt.«
    Ich erhob und verbeugte mich vor der Tochter, murmelte etwas von Ehre, Vergnügen und Vorzug und erhielt – das Buch mit den Gedichten, an welchem die Miß festhing. Old Death fing die Sache praktischer an. Er rief der Mama zu:
    »Na, kommt also, Mis’siß! Rechts herum oder links hinum, ganz wie es Euch recht ist. Ich springe mit allen Beinen.«
    Wie wir Beide tanzten, welches Unheil mein alter Freund anrichtete, indem er mit seiner Tänzerin zu Boden stürzte, wie die Gentlemen zu trinken begannen – davon schweige ich. Genug, als es Tag wurde, waren die Vorräthe des Wirthes ziemlich auf die Neige gegangen, und der

Weitere Kostenlose Bücher