Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Titel: Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
wieder sehen zu lassen. Darum wird zunächst bestimmt, daß ihnen allen jetzt sofort das Haar und die Bärte bis ganz kurz auf die Haut abzuscheeren sind. Einige der anwesenden Gentlemen werden sich wohl gern den Spaß machen, dies zu thun. Wer nicht weit zu laufen hat, mag nach Hause gehen, um eine Scheere zu holen; solchen, welche nicht gut schneiden, wird die sehr ehrwürdige Jury den Vorzug geben.«
    Allgemeines Gelächter erscholl. Einer riß das Fenster auf und schrie hinab:
    »Scheeren herbei! Die Kukluxer sollen geschoren werden. Wer eine Scheere bringt, wird eingelassen.«
    Ich war sehr überzeugt, daß im nächsten Augenblicke alle Untenstehenden nach Scheeren rannten. Und wirklich hörte ich sogleich, daß ich ganz richtig vermuthet hatte. Man hörte ein allgemeines Laufen und lautes Rufen nach Shears und Scissars. Eine Stimme brüllte sogar nach
shears for clipping trees
und
shears for clipping sheeps,
also nach Baum-und Schafscheeren.
    »Ferner wird beschlossen,« fuhr der Sheriff fort, »die Verurtheilten nach dem Steamer zu schaffen, welcher noch nach elf Uhr von Austin gekommen ist und mit Anbruch des Tages nach Matagorda gehen wird. Dort angekommen, werden sie auf das erste, beste Schiff gebracht, welches abgeht, ohne wieder in Texas landen zu wollen. Sie werden an Deck dieses Fahrzeuges gebracht, gleichviel wer sie sind, woher sie kommen und wohin dieses Schiff geht. Von jetzt an bis zur Einschiffung dürfen sie ihre Verkleidungen nicht ablegen, damit jeder Passagier das Recht habe, zu sehen, wie wir Texaner mit den Kukluxern verfahren. Auch werden ihnen die Fesseln nicht abgenommen. Wasser und Brod erhalten sie erst in Matagorda. Die auflaufenden Kosten werden von ihrem eigenen Gelde bezahlt, welches die schöne Summe von über dreitausend Dollars ausmacht, die sie wohl zusammengeraubt haben werden. Außerdem wird all’ ihr Eigenthum, besonders die Waffen, confiscirt und sofort versteigert. Die Jury hat bestimmt, daß der Ertrag der Auction zum Ankaufe von Bier und Brandy verwendet werde, damit die ehrenwerthen Zeugen dieser Verhandlung mit ihren Ladies einen Schluck zu dem Reel haben, den wir nach Beendigung dieses Gerichtes hier tanzen werden, um dann bei Tagesanbruch die Kukluxer mit einer würdigen Musik und dem Gesange eines tragischen Liedes nach dem Steamer zu begleiten. Sie werden diesem Balle zusehen und zu diesem Zwecke da stehen bleiben, wo sie sich befinden. Wenn der Vertheidiger etwas gegen dieses Urtheil einzuwenden hat, so sind wir gerne bereit, ihn anzuhören, falls er die Gewogenheit haben will, es kurz zu machen. Wir haben die Kukluxer zu scheeren und ihre Sachen zu versteigern, also sehr viel zu thun, bevor der Ball beginnen kann.«
    Das Beifallsrufen, welches sich jetzt erhob, war eher ein Brüllen zu nennen. Vorsitzender und Vertheidiger mußten sich sehr anstrengen, Ruhe zu schaffen, damit der letztere zu Worte kommen könne.
    »Was ich noch zum Nutzen meiner Clienten zu sagen habe,« meinte er, »ist Folgendes. Ich finde das Urtheil des hochachtbaren Gerichtshofs einigermaßen hart, doch ist diese Härte durch den letzten Theil der richterlichen Entscheidung, welcher Bier, Brandy, Tanz, Musik und Gesang betrifft, mehr als zur Genüge ausgeglichen. Darum erkläre ich mich im Namen derjenigen, deren Interessen ich zu vertreten habe, mit dem Urtheile völlig einverstanden und hoffe, daß sie sich dasselbe als Aufforderung zum Beginn eines besseren und nützlicheren Lebenswandels dienen lassen. Ich warne sie auch, jemals wieder zu uns zu kommen, da ich in diesem Falle mich weigern würde, ihre Vertheidigung nochmals zu übernehmen, und sie also nicht wieder einen so ausgezeichneten juridischen Beirath finden würden. Geschäftlich bemerke ich noch, daß ich für meine Vertheidigung pro Client zwei Dollars zu fordern habe, macht für neunzehn Mann acht und dreißig Dollars, wofür ich nicht schriftlich zu quittiren brauche, wenn sie mir gleich jetzt vor so vielen Zeugen ausgehändigt werden. In diesem Falle nehme ich nur achtzehn für mich und gebe die übrigen zwanzig für Licht und Miethe des Saales. Die Musikanten können durch ein Entree entschädigt werden, welches ich vorschlage, auf fünfzehn Cents pro Gentleman zu stellen. Die Ladies haben natürlich nichts zu zahlen.«
    Er setzte sich, und der Sheriff erklärte sich völlig mit ihm einverstanden.
    Ich saß da, als wenn ein Traum mich befangen hielte. War das alles Wirklichkeit? Ich konnte nicht daran zweifeln, denn der

Weitere Kostenlose Bücher