Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen
sollten wir unterwegs auf irgend welches weißes oder rothes Gesindel stoßen, so wird es uns nicht einfallen, davon zu laufen. Also wollt Ihr uns mitnehmen? Schlagt ein!«
Natürlich schlugen wir ein. Später kam Cortesio, der noch länger geschlafen hatte als wir, und wollte uns die beiden Pferde zeigen. Old Death hinkte trotz seiner Schmerzen in den Hof. Er wollte die Pferde selbst sehen.
»Dieser junge Master behauptet zwar, reiten zu können,« sagte er; »aber unsereins weiß, was davon zu halten ist. Und einen Pferdeverstand traue ich ihm nicht zu. Wenn ich ein Pferd kaufe, so suche ich mir vielleicht dasjenige aus, welches das schlechteste zu sein scheint. Natürlich aber weiß ich, daß es das beste ist. Das ist mir nicht nur einmal passirt.«
Ich mußte ihm alle im Stalle stehenden Pferde vorreiten, und er beobachtete jede ihrer Bewegungen mit Kennermiene, nachdem er vorsichtiger Weise nach dem Preise gefragt hatte. Wirklich kam es so, wie er gesagt hatte: er nahm die beiden, welche für uns bestimmt gewesen waren, nicht.
»Sehen besser aus als sie sind,« sagte er. »Würden aber nach einigen Tagen schon marode sein. Nein, wir nehmen die beiden alten Füchse, die wunderbarer Weise so billig sind.«
»Aber das sind ja die reinen Karrengäule!« meinte Cortesio.
»Weil Ihr es nicht versteht, Sennor, mit Eurer Erlaubniß zu sagen. Die Füchse sind Prairiepferde, haben sich aber in schlechter Hand befunden. Ihnen geht die Luft nicht aus, und ich calculire, daß sie wegen einer kleinen Strapaze nicht in Ohnmacht fallen. Wir behalten sie. Pasta, abgemacht!« –
4. Kapitel
Ueber die Grenze
Eine Woche später befanden sich fünf Reiter, vier Weiße und ein Neger, ungefähr an dem Punkte, an welchem die südlichen Ecken der jetzigen texanischen County’s Medina und Uvalde zusammenstoßen. Die Weißen ritten zu zwei Paaren hinter einander, der Neger machte den Beschluß. Die voranreitenden zwei Weißen waren fast ganz gleich gekleidet, nur daß der Anzug des Jüngeren neuer war als derjenige des älteren, sehr hageren Mannes. Ihre Pferde waren Füchse; sie trabten so munter und ließen von Zeit zu Zeit ein lustiges Schnauben hören, daß anzunehmen war, sie seien einem anstrengenden Ritte in dieser abgelegenen Gegend wohl gewachsen. Dem folgenden Paare sah man es sofort an, daß sie Vater und Sohn seien. Auch sie waren gleich gekleidet, aber nicht in Leder, wie die Voranreitenden, sondern in Wolle. Ihre Köpfe waren von breitkrempigen Filzhüten beschützt; ihre Waffen bestanden aus Doppelbüchse, Messer und Revolver. Der Neger, eine überaus sehnige Gestalt, war ganz in leichten, dunklen Callico gekleidet und trug einen glänzenden, fast neuen Cylinderhut auf dem wolligen Schädel. In der Hand hielt er eine lange, zweiläufige Rifle, und im Gürtel steckte eine Machete, eins jener langen, gebogenen, säbelartigen Messer, wie sie vorzugsweise in Mexico gebraucht werden.
Die Namen der vier Weißen sind bekannt. Sie waren Old Death, Lange, dessen Sohn und ich. Der Schwarze war Cortesio’s Neger aus La Grange, derselbe, welcher uns an jenem ereignißreichen Abend bei dem Mexicaner eingelassen hatte.
Old Death hatte drei volle Tage gebraucht, sich von der Verletzung zu erholen, welche ihm auf eine so lächerliche Weise zugefügt worden war. Ich vermuthete, daß er sich dieser Veranlassung schämte. Im Kampfe verwundet zu werden, ist eine Ehre; aber beim Tanze zu stürzen und sich dabei das Fleisch vom Knochen treten zu lassen, das ist höchst ärgerlich für einen braven Westmann, und das ging dem alten Scout zu nahe. Die Quetschung war ganz gewiß weit schmerzhafter, als er sich merken ließ, sonst hätte er mich nicht drei Tage auf den Aufbruch warten lassen. An dem oftmals plötzlichen Zusammenzucken seines Gesichtes erkannte ich, daß er selbst jetzt noch nicht von Schmerzen frei sei. Cortesio hatte natürlich erfahren, daß die beiden Lange’s sich uns anschließen würden. Am letzten Tage war er zu uns herüber gekommen und hatte uns gefragt, ob wir ihm nicht den Gefallen thun wollten, seinen Neger Sam mitzunehmen. Natürlich waren wir über diese Forderung sehr erstaunt gewesen, ohne es uns anmerken zu lassen. Es ist nicht Jedermanns Sache, wochenlang mit einem Schwarzen zu reiten, der einen ganz und gar nichts angeht. Cortesio erklärte uns die Sache. Er habe nämlich aus Washington eine wichtige Depesche erhalten, in Folge deren er sofort einen ebenso wichtigen Brief nach Chihuahua senden müsse.
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