Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen
Was nun geschehen war, konnte man ahnen. Es waren beinahe nur noch die Eisentheile des verunglückten Zuges vorhanden. Man hatte an jeden Waggon, nachdem er beraubt worden war, ein riesiges Feuer gelegt, und in der Asche fanden wir die traurigen Ueberreste vieler Menschen, welche bereits bei dem Sturze verunglückt oder dann später von den Railtroublern getödtet worden waren. Kein Einziger schien lebend entkommen zu sein.
Es war ein Glück für uns, daß die offene Gegend es unserm Maschinisten erlaubt hatte, die Gefahr noch rechtzeitig zu bemerken, sonst wären wir auch den Damm hinabgestürzt. Die Locomotive hielt kaum einige wenige Ellen von der Stelle, wo die Zerstörung begann.
Die Aufregung der Passagiere und des Zugpersonales war eine ganz bedeutende, und es ist geradezu unmöglich, die Kraftworte und Interjectionen wiederzugeben, welche ringsum zu hören waren. Man durchwühlte die noch rauchenden Trümmer, aber es gab Nichts mehr zu retten, und nachdem der Thatbestand constatirt worden war, konnte man nichts weiter thun, als die Strecke wieder schleunigst herzustellen, wozu jeder amerikanische Zug die nothwendigen Werkzeuge bei sich führt. Der Zugführer erklärte, er müsse sich darauf beschränken, auf der nächsten Station Anzeige zu erstatten; das Uebrige, und also auch die Verfolgung der Verbrecher, sei dann Sache der Jury, welche dort jedenfalls sogleich gebildet werde.
Während die anderen Passagiere noch unnöthiger Weise in den Trümmern wühlten, hielt ich es für das Beste, mich einmal nach den Spuren der Railtroublers umzusehen. Das Terrain zeigte eine offene, mit Gras bewachsene und nur von wenigen Büschen unterbrochene Fläche. Ich ging eine ziemliche Strecke auf dem Geleise zurück und schlug sodann um die rechte Seite der Unglücksstelle einen Halbkreis, dessen Grundlinie von dem Bahnkörper gebildet wurde. Auf diese Weise konnte mir bei nur einer Aufmerksamkeit Nichts entgehen.
In der Entfernung von vielleicht dreihundert Schritten von der Unglücksstätte fand ich zwischen einigen Büschen das Gras niedergedrückt, als ob hier eine ziemliche Anzahl von Menschen gesessen hätten, und die noch im niedergedrückten Grase erkennbaren Spuren führten mich an eine zweite Stelle, wo man die Pferde angehobbelt 4 hatte. Diesen Platz untersuchte ich sehr sorgfältig, um die Anzahl und Beschaffenheit der Pferde kennen zu lernen; dann setzte ich meine Forschung weiter fort.
Am Schienenwege traf ich mit meinem dicken Nachbar zusammen, welcher, wie ich erst jetzt bemerkte, denselben Gedanken mit mir gehabt und die links von der Unglücksstelle gelegene Gegend abgesucht hatte. Er blickte verwundert auf und frug:
»Ihr hier, Sir? Was thut Ihr?«
»Das, was ein jeder Westmann thun wird, wenn er in eine ähnliche Lage kommt: ich suche nach den Spuren der Railtroubler.«
»Ihr? Ah! Werdet auch viel finden! Das sind gescheidte Kerls gewesen, welche es verstanden haben, ihre Spuren wieder zu verwischen. Ich habe nicht das Mindeste entdeckt; was wird da so ein Greenhorn finden, wie Ihr doch seid?«
»Vielleicht hat das ›Greenhorn‹ bessere Augen gehabt als Ihr, Master,« antwortete ich lächelnd. »Warum sucht Ihr hier auf der linken Seite nach Spuren? Ihr wollt ein alter, erfahrener Savannenläufer sein und seht doch nicht, daß sich das Terrain hier rechts viel besser zu einem Lagerplatze und Versteck eignet als links da drüben, wo fast gar kein Buschwerk zu sehen ist.«
Er blickte mir sichtlich überrascht in das Gesicht und meinte dann:
»Hm, diese Ansicht ist nicht übel! So ein Büchermacher scheint doch zuweilen einen guten Gedanken zu haben. Habt Ihr Etwas gefunden?«
»Ja.«
»Was?«
»Dort hinter den wilden Kirschensträuchern haben sie gelagert, und dahinten bei den Haselbüschen standen die Pferde.«
»Ah! Da muß ich hin, denn Ihr habt doch nicht die richtigen Augen, um zu sehen, wie viele Thiere es gewesen sind!«
»Es waren sechsundzwanzig.«
Wieder blickte er mich mit einer Geberde der Ueberraschung an.
»Sechsundzwanzig?« frug er ungläubig. »Woraus erkennt Ihr das?«
»Aus den Wolken jedenfalls nicht, sondern aus den Spuren, Sir,« lachte ich. »Von diesen sechsundzwanzig Pferden waren acht beschlagen und achtzehn unbeschlagen. Unter den Reitern befanden sich dreiundzwanzig Weiße und drei Indianer. Der Anführer der ganzen Truppe ist ein Weißer, welcher mit dem rechten Fuße hinkt; sein Pferd ist ein brauner Mustanghengst. Der Indianerhäuptling aber, der bei
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