Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen
seine ganze Aufmerksamkeit. So erreichten wir die Station »Nordplatte« an dem Vereinigungspunkte des Nord-und Südplattestromes. Hier stieg er für kurze Zeit aus und machte sich an einem der vorderen Wagen zu schaffen. Ich bemerkte, daß sich in demselben ein Pferd befand, welches jedenfalls ihm gehörte.
Als er eingestiegen war und der Zug sich wieder in Bewegung gesetzt hatte, beobachtete er sein bisheriges Schweigen, und erst als wir am Nachmittage in Eheyenne am Fuße der Black Hills hielten, frug er:
»Geht Ihr von hier aus vielleicht mit der Coloradobahn nach Denver zu, Sir?«
»Nein«, antwortete ich.
»
Well,
so bleiben wir Nachbarn.«
»Fahrt Ihr sehr weit mit der Pacific?« frug ich ihn.
»Ha! Ja und nein – wie es mir einfällt. Und Ihr?«
»Ich möchte am liebsten nach Ogden City.«
»Ah! Ihr wollt die Mormonenstadt sehen?«
»Ein Weniges, und dann hinauf nach den Windriverbergen und den Tretons.«
Er musterte mich mit einem sehr ungläubigen Blick und meinte:
»Da hinauf? Das bringt nur ein sehr kühner Westmann fertig. Habt Ihr Gesellschaft?«
»Nein.«
Jetzt blickten mich seine kleinen Aeuglein förmlich belustigt an, und er frug:
»Allein? Hinauf nach den drei Tretons? Mitten unter die Sioux und grauen Bären!
Pshaw!
Habt Ihr vielleicht einmal gehört, was ein Sioux oder ein grauer Bär zu bedeuten hat?«
»Ich denke!«
»Ah! hm! Darf ich fragen, was Ihr seid, Sir?«
»Ich bin Writer.«
»Writer? Schriftsteller? So! Ihr macht also Bücher?«
Jetzt lachte er am ganzen Gesichte. Es gab ihm gewaltigen Spaß, daß ein Schriftsteller den Gedanken gefaßt hatte, ganz allein und nur auf sich selbst angewiesen, den gefährlichsten Theil des Felsengebirges aufzusuchen.
»Schön!« sagte er kichernd. »So wollt Ihr wohl über die drei Tretons ein Buch schreiben, mein werther Master?«
»Vielleicht!«
»Und Ihr habt wohl einmal ein Buch gesehen, in welchem ein Indianer oder ein Bär abgebildet war?«
»Versteht sich,« antwortete ich sehr ernsthaft.
»Und nun glaubt Ihr, daß Ihr da mitmachen könnt?«
»Allerdings.«
»Und Ihr habt wohl gar auch eine Flinte mit, die da in Eure Decke eingewickelt ist?«
»Ja.«
»So will ich Euch einen guten Rath geben, Sir! Steigt schleunigst aus und macht, daß Ihr wieder nach Hause kommt! Ihr seid zwar ein langer, starker Kerl, aber Ihr seht mir gar nicht aus, als ob Ihr ein Eichhorn schießen könntet, viel weniger einen Bär. Das Lesen hat Euch den Kopf benebelt. Es wäre jammerschade um Euer junges Leben, wenn Euch beim Anblick eines Wildkätzchens der Schlag rühren sollte! Ihr habt gewiß einmal den Cooper gelesen?«
»Ja.«
»Dachte es mir! Habt vielleicht auch von berühmten Prairiemännern gehört?«
»Ja,« antwortete ich abermals im bescheidensten Tone.
»Von Winnetou, von Old Firehand, von Old Shatterhand, von dem dicken Walker oder von dem langen Hilbers?«
»Von Allen,« nickte ich.
Das dicke Männchen ahnte gar nicht, daß er mir wenigstens ebenso viel Spaß machte, als ich ihm. Winnetou war mein treuester Freund; mit Old Firehand hatte ich manchen schweren Ritt gemacht, und Old Shatterhand, das war ja der Name, den man mir selbst gegeben hatte. Nur den dicken Walker und den langen Hilbers hatte ich noch nicht getroffen, aber sehr viel von den Beiden gehört.
»Ja,« meinte er, »solche Bücher und Geschichten sind gefährlich, denn sie stecken an. Das klingt so schön und leicht, aber – hihihihi, Master, nehmt mir’s nicht übel, Ihr dauert mich! Dieser Winnetou ist ein Apachenhäuptling, der mit tausend Teufeln kämpfen würde; dieser Old Firehand schießt Euch jede einzelne Mücke aus dem Schwarm heraus, und dieser Old Shatterhand hat noch niemals einen Fehlschuß gethan und schlägt die stärkste Rothhaut mit einem einzigen Hiebe zu Brei. Wenn einer von diesen Kerls sagt, daß er hinauf will zu den drei Tretons, so ist das zwar immer noch ein ganz gewaltiges Wagniß, aber man denkt doch, daß er es bestehen kann; aber Ihr – ein Büchermacher?
Pshaw!
Wo habt Ihr denn Euer Pferd?«
»Ich habe keins.«
Jetzt konnte er sich nicht länger halten; er platzte mit einem lauten Gelächter heraus:
»Hihihihi, kein Pferd, und hinauf nach den drei Tretons! Seid Ihr verrückt, Sir?«
»Ich glaube nicht. Wenn ich jetzt noch kein Pferd habe, so werde ich mir doch eins kaufen oder fangen.«
»Ah! Wo denn?«
»Da, wo es paßt.«
»Ihr, Ihr selbst wollt es Euch fangen?«
»Ja.«
»Das ist lustig, Sir! Ihr habt zwar ein
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