Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen
jetzt aber eine wahrhaft staunenswerthe Ausdehnung erhalten hatte, schlang sich ein alter Shwal, dessen Farbe leider vollständig abhanden gekommen war, und in welchem eine urahnenhafte Reiterpistole neben einem Bowiemesser steckte. Neben diesen beiden Waffen hing ein Kugel-und ein Tabaksbeutel, ein kleiner Spiegel, wie man ihn auf deutschen Jahrmärkten für zehn Pfennige kauft, eine eingestrickte Feldflasche und vier Patenthufeisen, welche dem Pferde wie Schuhe angezogen und dann festgeschraubt werden können. Daneben erblickte ich ein Etui, dessen Inhalt mir jetzt noch verborgen war; später erfuhr ich, daß es ein vollständiges Rasirzeug enthielt, in der wilden Prairie höchst unnütz, wie mir schien.
Das wunderlichste an diesem Manne aber war sein Angesicht. Dasselbe war so vollständig glatt rasirt, als ob er soeben aus dem Laden eines Friseurs gekommen sei. Die beinahe rosenrothen Wangen waren so dick und fest, daß das kleine, kurze Stumpfnäschen zwischen ihnen beinahe verschwand und die zwei braunen, lebhaften Aeuglein Mühe hatten, über sie hinwegzusehen. Sobald die mehr als vollen Lippen sich öffneten, erblickte man zwei Reihen blendend weißer Zähne, die ich aber leider sofort in Verdacht hatte, unächt zu sein. An der linken Seite des Kinnes hing eine gurkenähnlich gestaltete Verhärtung oder Wucherung, welche das Spaßhafte der Erscheinung dieses Mannes noch erhöhte, ihn aber nicht im Mindesten zu geniren schien.
So saß er vor mir und hielt zwischen den kurzen, dicken Elephantenbeinen ein Schießgewehr eingeklemmt, welches eher einem im Walde roh abgebrochenen Prügel als einer Büchse glich. Der Lauf war vom Roste zerfressen und schien arg verbogen zu sein; am Schafte erblickte man verschiedene Kerben und Einschnitte, und der Kolben war öfters zerbrochen gewesen, wohl vom Zuschlagen, aber immer wieder nothdürftig reparirt worden. Jetzt wurden die Splitter von starken, eisernen Bändern zusammengehalten, und wer mit diesem Kolben einen Hieb auf den Kopf erhielt, der unterließ es ganz gewiß, um den zweiten Schlag zu bitten. Es hätte wohl nicht so leicht Jemand gewagt, mit diesem Gewehre einen Schuß zu thun, aus Furcht, daß es zerplatzen möchte; ich aber betrachtete mir dieses alte Schießzeug mit einer gewissen Ehrerbietung. Ich hatte Gewehre gesehen, mit denen kein Mensch auf fünfzig Schritte einen Hirsch getroffen hätte, mit denen aber der Besitzer unter hundert Mal sicher neunundneunzig Meisterschüsse that. Diese unscheinbaren Gewehre sind die furchtbarsten Waffen in der Hand dessen, der sich auf sie eingeübt hat, und wiegen zehn der theuersten Sonntagsbüchsen auf.
Es hätte sicher hunderte von Leuten gegeben, die diesen Menschen für alles Andere, aber nur nicht für einen tüchtigen Westmann gehalten hätten. Mir war so manche sonderbare Gestalt begegnet, und bereits der erste Blick sagte mir, daß ich es hier wohl mit einem jener Wald-und Prairienläufer zu thun hatte, die man nicht nach dem ersten Eindrucke beurtheilen darf, sondern erst genau kennen lernen muß, um sie richtig zu beurtheilen.
Er hatte mit einem einfachen »
Good day, Sir!
« bei mir Platz genommen und schien sich dann nicht im Geringsten weiter um mich zu bekümmern. Erst eine Stunde später bat er mich um die Erlaubniß, eine Pfeife rauchen zu dürfen. Das fiel mir auf, denn ein ächter, rechter Trapper oder Fallensteller kümmert sich nicht darum, ob das, was ihm zu thun beliebt, von Andern gut geheißen wird.
»Raucht, so viel Ihr wollt, Master!« antwortete ich. »Ich werde Euch Gesellschaft leisten. Wollt Ihr Euch eine von meinen Cigarren anstecken?«
»Danke, Sir!« meinte er. »Diese Dinger, welche man Cigarren nennt, sind mir zu nobel. Ich halte es mit meiner Pfeife.«
Er hatte nach Trapperart die kurze, schmierige Pfeife an einer Schnur am Halse hängen. Als er sie gestopft hatte, beeilte ich mich, ein Hölzchen hervorzulangen, er aber schüttelte abwehrend mit dem Kopfe, griff in die Tasche seines Pelzes und brachte eines jener Prairienfeuerzeuge zum Vorscheine, welche Punks genannt werden und trockenen Baummoder als Zunder enthalten.
»Auch so eine noble Erfindung, diese Zündhölzer, die nichts für die Savanna taugen,« bemerkte er. »Man darf sich nicht verwöhnen.«
Damit war das kurze Gespräch beendet, und er schien nicht die mindeste Lust zu haben, ein neues anzuknüpfen. Er rauchte ein Kraut, dessen Duft mich sehr lebhaft an Wallnußblätter erinnerte, und widmete dabei der Gegend
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