Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen
Mann, um dieses Gewehr beneide ich Euch!«
»Diese Büchse ist mir noch lieber.«
Bei diesen Worten nahm ich meinen schweren Bärentödter empor.
»
Pshaw!
Ein glattes, gut geputztes Schießeisen!« meinte der Dicke geringschätzig. »Ich lobe mir eine alte, rostige Kentuckybüchse oder meinen alten Schießprügel da!«
»Wollt Ihr Euch nicht einmal die Firma ansehen, Sir?« frug ich ihn, indem ich ihm das Gewehr entgegenstreckte.
Er warf einen Blick auf die Gravirung und fuhr überrascht zurück.
»Verzeiht, Sir,« rief er; »das ist etwas ganz Anderes. Solche Büchsen gibt es nicht sehr viele mehr. Ich habe gehört, daß Old Shatterhand eine hat. Aber wie kommt denn Ihr zu einem solchen Meisterstücke? Oder ist der Stempel nachgemacht! Hm, ja, so wird es wohl sein, denn dieses Gewehr sieht nicht aus, als ob man schon viele Male daraus geschossen hätte!«
Diese Büchse hatte mich auf allen meinen Wanderungen, durch Amerika, Afrika und noch viel weiter begleitet; ich hatte sie stets gut gehalten; da aber der Prairiejäger den äußeren Schein ganz gründlich verachtet und seiner ganzen Ausrüstung gern ein möglichst abgebrauchtes Aussehen gibt, so konnte ich es meinem Dicken gar nicht übel nehmen, daß er dem Gewehre nicht recht traute, darum antwortete ich:
»Wir wollen es probiren. Gebt einmal an, was ich schießen soll, Sir!«
»Ladet erst neu!«
»Pah, das ist nicht nothwendig. Die Schüsse stecken trocken.«
»
Well,
so schießt mir einmal mit dem Schrotlaufe den Vogel dort vom Busche!«
»Das ist zu weit!« meinte einer der Umstehenden.
»Wollen sehen!« bemerkte ich.
Ich langte nach der Schnur und setzte langsam und sehr bedächtig meinen Klemmer auf die Nase. Sofort brach der Dicke in ein lautes Gelächter aus.
»Hihihihi; eine Brille! Dieser deutsche Buchmacher kommt in diese alte Savanne, um mit dem Zwicker auf der Nase zu jagen! Hihihihi!«
Auch die Andern lachten; ich aber meinte sehr ernsthaft:
»Was lacht Ihr, Mesch’schurs? Wenn man dreißig Jahre lang über den Büchern sitzt, so leiden die Augen, und es ist besser, man thut mit der Brille einen guten Schuß, als ohne dieselbe einen schlechten?«
»Richtig Sir,« lachte der Dicke. »Aber ich möchte Euch einmal sehen, wenn Ihr so recht unerwartet einmal von den Rothhäuten überfallen würdet! Ehe Ihr den Klemmer geputzt und auf die Nase gebracht hättet, würdet Ihr zehnmal scalpirt sein. Seht, nicht einmal den Vogel könnt Ihr nun schießen, denn er ist bereits auf und davon geflogen!«
»So suchen wir ein anderes Ziel!« meinte ich ebenso kaltblütig wie vorher.
Der betreffende Vogel hatte in einer Entfernung von vielleicht zweihundert Schritten auf dem Busche gesessen; das wäre also ein sehr gewöhnlicher Schuß gewesen. Ich aber hatte hoch über uns eine Lerche trillern gehört und blickte jetzt nach oben.
»Seht Ihr die Lerche da oben, Mesch’schurs?« fragte ich. »Ich werde sie herunter holen.«
»Das ist ganz unmöglich!« rief der Dicke »Laßt das sein, denn Ihr schießt doch nur ein Loch in die Luft. Das brächte nicht einmal der alte Sans-ear oder Old Firehand fertig!«
»Wollen sehen!«
Ich erhob die Büchse und drückte ab.
»Fort!« lachte der Dicke »Der Schuß hat sie erschreckt; sie ist ausgerissen!«
»Da sollt Ihr doch gleich sehen, wozu die Brille nützlich ist,« meinte ich, die Büchse absetzend; »Geht doch einmal hinüber auf den Bahndamm; sie ist darauf niedergefallen, ungefähr achtzig Schritte von hier.«
Ich deutete mit der Hand die Stelle an, und sofort sprangen einige der Umstehenden hin. Sie brachten die Lerche, welche fast mitten durch geschossen war. Der Dicke betrachtete abwechselnd sie und mich; dann rief er:
»Getroffen, wahrhaftig getroffen! Und nicht mit Schrot, sondern mit der Kugel!«
»Wollt Ihr mit Schrot in eine solche Höhe schießen, Sir?« fragte ich. »Ein richtiger Savannenläufer wird sich überhaupt schämen, einen Schrotschuß zu thun. Das überläßt man den Kindern und den Aasjägern.«
»Aber Sir, das ist ja ein Schuß, wie ich noch gar keinen gesehen habe!« wunderte sich der Dicke. »War das Zufall oder nicht?«
»Gebt mir ein zweites Ziel!«
»Es ist gut, Sir; ich glaube es! Ihr scheint es darauf abgesehen zu haben, mit mir ein wenig Komödie zu spielen! Aber nun ist es gut. Kommt doch einmal ein Weniges mit auf die Seite!«
Er zog mich von den Andern fort, dahin, wo die Pferdestapfen am Deutlichsten zu sehen waren. Dort zog er ein Papier hervor und legte
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