Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen
Anwesende, welche bei diesem Sprunge zugegen waren, klatschten Beifall. Das Thier schien dies zu verstehen; es wedelte mit dem Schwanze und stieß ein lautes Wiehern aus.
Dieses Pferd sah gar nicht so aus, als ob es seinen Namen Victory, Sieger, mit nur der allergeringsten Spur von Recht trage. Es war ein dürrer, hochbeiniger Fuchs, der sicherlich bereits zwanzig Jahre zählte. Die Mähne war ihm ganz abhanden gekommen; der Schwanz zeigte nur noch einige ganz dünne Haarsträhnen, und die Ohren sahen aus wie zwei Kaninchenlöffel im Superlativ. Dennoch hatte ich alle Achtung vor dem Thiere, zumal da ich sah, daß es ausschlug und biß, als einer der Männer vertraulich nach ihm langte. Man bekommt in der Prairie zuweilen solche »Inseparables« zu sehen, Pferde, für welche man keinen Cent bieten würde, die aber ihr Herr um keinen Preis hergeben würde. Der berühmte Sans-ear hatte eine solche alte Stute, Tony genannt, die einer Ziege ähnlicher sah als einem Pferde, aber ich war hundertmal Zeuge gewesen, daß er ohne dieses brave Thier verloren gewesen wäre.
Victory war gesattelt und gezäunt. Fred bestieg ihn und sprengte den steilen Damm hinab, ohne den Andern irgend eine Bemerkung zu machen. Sie bekümmerten sich auch nicht weiter um uns. Wir waren ihnen ja fremd, und es war ihnen also vollständig gleichgültig, daß wir den Zug verließen.
Unten am Damme hielt Walker an.
»Seht Ihr, Charles, wie gut es nun wäre, wenn Ihr ein Pferd hättet?« meinte er.
»Es wird nicht lange dauern, so haben wir eins,« antwortete ich. »Mit Hülfe Eures Victory werde ich mir sehr leicht eins fangen.«
»Ihr? Das müßte ich fangen, denn ich gebe Euch mein Wort, daß Ihr den Victory nicht reiten könnt. Er trägt keinen andern Menschen als nur mich allein.«
»Das würde sich finden!«
»Es ist aber so; ich versichere es Euch. Wir könnten, damit Euch das Laufen nicht so sehr angreift, zuweilen mit dem Pferde wechseln; aber es wirft Euch sicher ab, und so seid Ihr zum Marschiren verurtheilt, bis wir eine Mustangheerde treffen. Das ist höchst unangenehm, da wir auf diese Weise nur langsam vorwärts kommen und sehr viele Zeit versäumen. Aber seht, da steigen die Leute ein; der Zug will weiter gehen.«
Es war so, wie er sagte. Die Maschine gab Dampf; die Räder bewegten sich, und der Zug rollte dem Westen wieder entgegen. Nach wenigen Augenblicken war er unsern Augen entschwunden, und es war das Band, welches uns bis zu diesem Augenblicke mit der Civilisation verband, für unbestimmte Zeit zerrissen.
»Hängt Eure schwere Büchse an meinen Sattel,« sagte Walker.
»Ein guter Jäger trennt sich keinen Augenblick von seinem Gewehre,« antwortete ich. »Ich danke Euch, Fred. Vorwärts!«
»Ich werde langsam reiten, Charles.«
»Laßt den Victory immer einen tüchtigen Schritt nehmen; ich bin ein guter Läufer und halte aus.«
»
Well,
so kommt!«
Ich warf die Decke über, hing den Stutzen über die Achsel, schulterte die Büchse und schritt an der Seite des Reiters vorwärts. Die Verfolgung der Railtroublers begann.
Ihre Fährte war so deutlich, daß wir uns nicht die mindeste Mühe zu geben brauchten, sie aufzuspüren. Sie wies beinahe grad nach Norden zu, und wir folgten ihr ohne Aufhalten bis um die Mittagszeit, als wir einen kurzen Halt machten, um den Victory ausruhen zu lassen und einen kleinen Imbiß zu uns zu nehmen. Er bestand aus dem Wenigen, welches wir zufällig eingesteckt hatten, denn es war uns nicht eingefallen, uns mit Hülfe der Vorräthe des Zuges zu verproviantiren. So lange der Savannenmann eine Büchse und Munition besitzt, braucht er keinen Hunger zu leiden. Und in dieser Beziehung war ich gut versehen, denn mein wasserdichter Ledergürtel enthielt so viele Patronen, daß ich keine Sorge zu haben brauchte.
Das Land, in welchem wir uns befanden, war hügelig und recht gut bewaldet. Die Spur führte an einem kleinen Flüsse aufwärts, dessen Ufer theils sandig und theils mit einem so fetten Grase bewachsen waren, daß die Hufe der Pferde einen stets sichtbaren Eindruck hinterlassen hatten. Am Nachmittage schoß ich einen recht feisten Waschbären, welcher uns ein gutes Nachtmahl versprach, und als es dunkel wurde, machten wir in einer kleinen, von dichtem Baumwuchse verhüllten Felsenschlucht halt, wo wir ohne Sorge um Entdeckung ein Feuer anzünden und den Waschbären braten konnten. Wir fühlten uns an diesem Orte so vollständig sicher, daß wir es für überflüssig hielten, Wache zu
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