Der seekranke Walfisch. Oder: Ein Israeli auf Reisen.
giornalisti - sch-sch-sch- riduzione - 70 % (zusätzliche Niederschrift). Neue Berichterstattungsformulare wurden ausgefüllt und verschickt. Konferenzen wurden einberufen. Die Telegraphendrähte summten.
In der Dunkelheit verließen wir das segensreiche Gebäude. Meine linke Brusttasche barg ein in rotes Maroquinleder gebundenes Dokument, das mit meinem Lichtbild geschmückt war: Ferrovie dello Stato... a tariffo ridutto del 70 % ...
Stumm schritten wir unter den glitzernden Sternen dahin. Tränen der Freude und der Erlösung rannen über unsere eingefallenen Wangen. Noch nie im Leben hatten wir ein so prachtvolles Papier unser eigen genannt. Daß wir es jetzt gar nicht mehr brauchten, fiel demgegenüber kaum ins Gewicht. Hatten wir doch schon halb Italien bereist, zu vollen Preisen, wie es von vornherein die Absicht der listenreichen italienischen Regierung gewesen war...
Nachtrag zum Ermäßigungsproblem: Wie der geneigte Leser sich vielleicht erinnert, war vor einigen Seiten die Rede davon, daß ich mir beim Ausfüllen der Fragebogen, wann immer ich auf eine besonders schwierig zu beantwortende Frage stieß, mit der Antwort »Spaghetti alla Bolognese« behalf. Leider traf ich damit das gastfreundliche italienische Volk an einer besonders empfindlichen Stelle.
Man weiß, daß jedes Volk eine Nationalspeise hat (die Israelis zum Beispiel den arabischen Skish-kebab). Für die Italiener bedeuten jedoch Spaghetti keine bloße Nationalspeise, sondern eine psychopathologische, traumatisch vererbte Zwangshandlung. Die Italiener essen fast pausenlos, und fast pausenlos Spaghetti. Es gibt schlechthin nichts, wozu sie keine Spaghetti äßen. Wenn man ein Beefsteak bestellt, greift der Kellner zuerst einmal in einen Bottich mit Spaghetti. Ohne Spaghetti kein Fleisch, kein Fisch, keine Vorspeise, keine Nachspeise, keine Spaghetti. Einmal, als ihr wieder die nicht bestellten Spaghetti serviert wurden, wagte meine todesmutige Gattin Einspruch zu erheben: »Bitte, wir haben keine Spaghetti bestellt.« »Signora«, wies der Kellner sie zurecht, »das sind keine Spaghetti. Das sind Allegretti con brio alla pomodore di Ottorino Resphighi... «
Denn die Italiener haben immer wechselnde Namen für die immer gleichen Spaghetti. Man weiß eigentlich nie, was man ißt, wenn man Spaghetti ißt - außer daß es Spaghetti sind. Proteste fruchten nichts, da kann man reden, soviel man will. Fast scheint's, als wäre der weise Rat der Eule Lipschitz - »Lassen Sie ihn stottern!« - bis nach Italien gedrungen. Außerdem gehört es zu des weißen Mannes schwersten Bürden, die Kunst des Aufgabeins zu erlernen. Nach Italien eingewanderte Familien brauchen oft drei Generationen lang, ehe sie es fertigbringen, diese acht Meter langen Gummischläuche richtig zu rollen.
Eines Tages wurde es mir zu dumm. Ich zog mein Taschenmesser und zerschnitt die wild gewordene Spaghettischlange in kleine Stücke. Meine Gattin wollte vor Scham in die Erde versinken. Mich aber rettete meine Tollkühnheit vor dem Hungertod.
Neben den Spaghetti haben die Italiener noch eine andre Schwäche: Reiterstandbilder.
An jeder zweiten Straßenecke sieht man sich plötzlich einem Kriegshelden gegenüber. Der hoch zu Roß mit ausgestrecktem Arm und ebensolcher Adlernase auf seinem Postament thront. Eine lange lateinische Inschrift auf dem Postament preist den Mut und die Todesverachtung des bekannt martialischen Italienervolkes. Keine italienische Familie, die etwas auf sich hält, würde darauf verzichten, mindestens ein bis zwei Reiterstandbilder zu stiften. Sofort nach Beendigung der Trauerperiode besinnt sich die italienische Witwe und spricht:
»Unser Peppino ist doch immer so schrecklich gern zum
Pferderennen gegangen. Wir sollten ihm vor dem Laden ein Denkmal setzen... «
Und bald darauf thront der selige Peppino, das kampflustig gezogene Schwert in der Rechten, auf bronzenem Zelter inmitten des Marktplatzes, wo sich seine Gemischtwarenhandlung befindet, und rings um das Piedestal grüßen seine Kundschaften, in weißen Marmor gehauen, mit erhobenem Arm zu ihrem Helden empor...
Es ist nur natürlich, daß die Touristen das charmante, lebensfrohe, wohlgelaunte Volk Italiens lieben. Aber daß die Italiener ihrerseits die Touristen lieben, grenzt ans Perverse. Beinahe könnte man glauben, daß die Italiener es darauf angelegt hätten, die bekannte Lipschitz-Definition des Touristen Lügen zu strafen: sie betrachten den ausländischen Reisenden als menschliches
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