Der seekranke Walfisch. Oder: Ein Israeli auf Reisen.
in Italien patentiert waren. Ich sauste zum Dom zurück. Aber der junge Mann mußte sich mittlerweile selbst mit einer größeren Dosis Zauberpulver bestreut haben. Er war verschwunden weg fort unsichtbar nicht mehr da.
Sollte ihm dieses Buch zufällig einmal in die Hand fallen, dann möge et mir auf raschestem Weg fünf Packungen italienische Flecken zukommen lassen. Ich zahle.
Wie man sieht, haben die Italiener ihr gesamtes Wirtschaftsleben auf den Fremdenverkehr zugeschnitten. Und sie fahren gut damit.
Nehmen wir den Schiefen Turm von Pisa. Er bringt dieser glücklichen Stadt ungleich mehr Geld ein als der Orangenexport. Und dabei ist der Turm, wie wir bei genauerer Inspektion feststellen konnten, in Wirklichkeit gar nicht schief. Sondern das ihn umgebende Erdreich wurde in so raffinierter Weise ab und umgegraben, daß für den oberflächlichen Beschauer der Eindruck entsteht, als neige der Turm sich zur Seite.
Oder Siena. Dort wohnten wir dem »Pallio« bei, einem ganz gewöhnlichen Pferderennen von einer Minute Höchstdauer. Aber da die Gewänder der Reiter, die Schabracken der Pferde und alle übrigen Requisiten aus dem Mittelalter stammen (oder nach mittelalterlichen Mustern kopiert sind), hat der Tourist das Gefühl, lebendige Geschichte in sich aufzunehmen.
Oder San Gimignano, ein kleines Nest und offenbar die Gründungsstätte der italienischen Fremdenverkehrsindustrie, denn die Einwohner haben bereits vor dreihundert Jahren aufgehört, sich mit irgend etwas zu beschäftigen, ihre Häuser zu reparieren oder andere dringend erforderliche Arbeiten vorzunehmen. Sie sitzen in malerischen Gruppen auf dem Dorfplatz und lassen sich von den Touristen gegen nicht unerhebliches Entgelt besichtigen.
Oder Florenz, betörend an den Ufern des Arno gelegen, eine verwunschene Prinzessin, die dem Reisenden zuflüstert: »Ciao... ich bin die Witwe von Leonardo da Vinci...«
Oder die Märchengestalt Venedig, der Schauplatz gewaltiger Gondelschlachten. In einer dieser Schlachten erlitten wir eine schmähliche Niederlage.
Einem weitverbreiteten Irrtum zufolge ist Venedig der Ort, wo alle Jungvermählten in einem Taumel von Glück ihre Flitterwochen verbringen. Das stimmt nicht ganz. Es ist gar nicht so leicht, in Venedig glücklich zu sein.
Wenn man nicht sehr gut aufpaßt, beginnen die Schwierigkeiten gleich bei der Ankunft: Man steigt aus dem Zug und plumpst in die nächste Lagune. Denn die Stadtväter dieser uralten Siedlung haben - in weiser Voraussicht späterer Verkehrsunfälle - die Straßen durch Kanäle ersetzt und auf den wenigen verbleibenden Festlandswegen jeden Auto- und Wagenverkehr untersagt.
Da meine Frau eine sehr schlechte Schwimmerin ist, erkundigten wir uns noch in der Bahnhofshalle, wie wir wohl am besten in unser Hotel kämen.
»Nehmen Sie ein Motorboot-Taxi«, lautete die Auskunft.
»Gleich vor dem Bahnhof finden Sie jede gewünschte Menge. Aber mieten Sie unter gar keinen Umständen eine Gondel. Das käme viel zu teuer.«
Nachdem wir unser Gepäck aus dem Bahnhof hinausgeschafft hatten, hielten wir Ausschau nach einem Motorboot-Taxi. Es gab keines. Hingegen gab es eine unübersehbare Flotilla von Gondeln, jede mit einem Gondoliere in schwungvollen schwarzen Hosen und blau-weiß gestreiftem Leibchen; und jedem leuchtete die Geldgier aus den Augen. Sei's drum! dachten wir und bestiegen eines der romantisch schaukelnden Fahrzeuge. Ein alter Venezianer mit einer wasserglitschigen Lenkstange half uns für 100 Lire beim Einsteigen, einer seiner jüngeren Nachkommen verstaute für 200 Lire unser Gepäck unter den feuchten Sitzen, und ein dritter sagte für 50 Lire:
»Avanti.«
Die Gondelfahrt war eine reine Freude, nur mäßig getrübt durch ein Gefühl der Scham, das den israelischen Bürger zwangsläufig überkommt, wenn er sich lässig in seinen Polstersitz zurücklehnt und mit ansehen muß, wie sein Nebenmensch sich unter der Anstrengung des Ruderns krümmt. Die Gondel als solche erinnerte uns an jene historischen Fahrzeuge, mit denen einstmals die Wikinger halb Europa erobert hatten. Jedenfalls scheinen die Gondeln aus einer Zeit zu stammen, in der die Sklaverei erlaubt und Koffer unbekannt waren.
Unser Wikinger ließ sich's trotzdem nicht verdrießen und sang mit schmetternder Stimme sein »O sole mio...«.
Die beste Ehefrau von allen war sichtlich hingerissen und hätte vor Rührung vielleicht zu weinen begonnen, wenn ihr nicht bei jedem dritten Ruderschlag der schwerste unserer Koffer
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