Der seekranke Walfisch. Oder: Ein Israeli auf Reisen.
Wesen und behandeln ihn mit liebevoller Obsorge. Manchmal geht diese Obsorge so weit, daß man sich überhaupt nicht mehr auskennt.
Ein gutes Beispiel dafür lieferte mir der hilfreiche Luigi. Ich trag ihn in Genua, am Tag meiner Ankunft. Auf einer ziellosen Wanderung durch die unübersichtlichen Straßen der Stadt hatte ich mich verirrt und hielt an einer Autobusstation inne, wo mehrere Leute warteten. Ein rundlicher älterer Herr mit einem kleinen Paket in der Hand erweckte mein Vertrauen. Ich fragte ihn nach dem Hotel Excelsior. Wieder einmal bestätigte sich mein genialer Instinkt: Der Mann sprach leidlich deutsch.
»Hotel Excelsior? Kommen Sie!«
Wir bestiegen den Bus und setzten uns nebeneinander.
Mein freiwilliger Führer deutete auf das kleine Paket und sagte:
»Ich habe mir wollene Unterhosen gekauft.«
»Ach?« antwortete ich. »Wirklich?«
»Im Winter muß man etwas Warmes um den Bauch haben«, fuhr mein Nachbar fort. »Sonst erkältete man sich. Meine Frau sagt mir immer: >Keine falsche Scham, Luigi<, sagt sie immer. >Du kannst dir ruhig ein Frottierhandtuch um den Leib binden.< Sie weiß, daß ich in diesen Dingen ein wenig schamhaft bin. Wir haben oft Streit deswegen. Sie, zum Beispiel, hängt ihre Busenhalter ungeniert auf dem Balkon zum Trocknen auf. Ich habe ihr schon dutzende Male - was sage ich, hunderte Male habe ich ihr gesagt: >Willst du denn unbedingt<, sage ich ihr immer wieder, >daß die Leute über dich reden?< Und was sagt sie darauf? Sie sagt: >Paß lieber auf dich selbst auf und komm nicht jede Nacht besoffen nach Haus<, sagt sie. Was sagen Sie dazu? Dabei ist sie so dick, daß die Stühle unter ihr zusammenbrechen, wenn sie sich draufsetzt... «
»Na ja«, warf ich ein. »So ist das Leben.«
»Ich habe sie geheiratet, obwohl sie nicht einen lausigen Centesimo im Vermögen hatte«, erweiterte Luigi seine Informationen. »Rein gar nichts hat sie in die Ehe mitgebracht, rein gar nichts. Darüber schweigt sie sich natürlich aus. Alles, was sie kann, ist keppeln und keifen und schimpfen. Und eifersüchtig ist sie! Bei der Madonna von Padua, so etwas von Eifersucht gibt es kein zweites Mal. Schon seit Jahren verdächtigt sie mich, daß etwas zwischen mir und der Signora Cattini los ist, die den Zeitungskiosk neben der Kathedrale hat, gleich rechts, unter den Arkaden. Und dabei schwöre ich Ihnen, lieber Herr, daß sie, also meine Frau, viel hübscher ist als diese Cattini. Auch wenn sie immer fetter wird. Das macht nichts. Das hab' ich sogar ganz gern. Aber versuchen Sie einmal, mit einer Wahnsinnigen zu reden. Ich bekomme kaum noch etwas andres zu hören als Cattini hin und Cattini her. Jede Nacht geht's von neuem los: >Du hast deine Zeitung schon wieder bei der Cattini gekauft. Ich hab's mit meinen eigenen Augen gesehen. Bei der Cattini .< Na wenn schon. Warum soll ich meine Zeitung nicht bei der Cattini kaufen? Ist das vielleicht ein Verbrechen?«
»Nein«, murmelte ich verlegen. »Ich glaube nicht, daß das ein Verbrechen ist.«
Unser Bus fuhr jetzt entlang der Meeresküste. Ein hinreißendes Panorama bot sich mir dar. Vom Hotel Excelsior war allerdings keine Spur.
Luigi nahm die Schilderung seines Elends wieder auf.
»Der einzige Mensch, der noch besser keppelt und keift als meine Frau, ist ihre Mutter. Manchmal keppeln und keifen sie beide zusammen. Dann falte ich die Hände und sage: >Bei der heiligen Mutter von Padua<, sage ich, >wie kann man so viel keppeln und keifen?< Und was antwortet diese alte Hexe von Schwiegermutter? Sie antwortet: >Du halt den Mund, du mit deinem Vorstrafenregister!< Vorstrafenregister! Einfach lächerlich. Nur weil man mich einmal, vor zwei oder drei Jahren, für eine kleine Weile eingesperrt hat. Marcello und ich hatten damals ein wenig über den Durst getrunken, wir waren in guter Laune und warfen ein paar Topfpflanzen durch ein paar Fensterscheiben. Das war alles. Sogar der Richter sagte: >Luigi<, sagte er, >ich betrachte deine makellose Vergangenheit und dein bitteres Schicksal als Milderungsgrund .< Das war alles. Und jetzt frage ich Sie, lieber Herr; ist das ein Vorstrafenregister? Sie kommt aus einer Familie mit Vorstrafen, sie. Das kann ich Ihnen ruhig sagen, es ist kein Geheimnis. Die ganze Welt weiß, daß ihr Vater ein Rauschgiftschmuggler war. Er hat bei dieser Gelegenheit drei Finger verloren, weil sie ihm weggeschossen wurden. So einer war er. Einmal kommt mein Töchterchen aus der Schule nach Hause und fragt: >Pappi<, fragt sie,
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