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Der Seele schwarzer Grund: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)

Der Seele schwarzer Grund: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)

Titel: Der Seele schwarzer Grund: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hill
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Teenageralter hockte auf der Bordsteinkante. Eine versuchte sich auszuziehen. Eine übergab sich. Zwei fummelten mit Wegwerfkameras herum und kreischten. Er wich ihnen aus. Unflätigkeiten wurden ihm nachgerufen. Noch vor fünf Jahren wären diese Mädchen nicht hier gewesen. Wieder kam er an der Familie mit den kleinen Kindern vorbei, die gerade ins Auto stieg, die beiden Jungs schlafend wie gefällte Baumstämme.
    Was wollte er? Jane. Liebe. Kinder. Ein Leben wie das seiner Schwester. Jane?
    Ja. Ihr Bild hatte sich in seinem Kopf festgesetzt, wie sie auf dem Boden unter der Lampe saß, die Beine angezogen, die Arme darum gelegt, Haar wie das eines Engels.
    Er war kurz davor gewesen, sich in Freya Graffham zu verlieben, aber wenn sie am Leben geblieben wäre, dann hätte sich diese Verliebtheit so gut wie sicher wieder gelegt. Diana war ihm nie nahe gewesen. Er hatte sie nie geliebt. Es hatte andere Frauen gegeben, aber keine, für die er ernsthafte Gefühle entwickelt hätte. Einige hatten ihn geliebt. Vielleicht viele. Er hatte dafür gesorgt, nichts davon zu wissen.
    Jane.
    Er konnte sie sich nicht in einem grässlichen Habit vorstellen, eingemauert in einem Konvent – nenn es Kloster, nenn es was immer, es war ein Haufen Frauen, gemeinsam eingepfercht mit ihren Frustrationen und ihrer Hysterie. Bei dem Gedanken wurde ihm übel. Wenn sie wenigstens ins akademische Leben zurückgekehrt wäre, hätte es noch Hoffnung für sie gegeben. Nein, nicht für sie. Er meinte, Hoffnung für ihn. Er wäre in der Lage gewesen, Kontakt mit ihr zu halten, ihr zu schreiben, sie zu sehen, zu verfolgen, zu überzeugen. Wie in Gottes Namen sollte er ihr in ein verdammtes Nonnenkloster folgen?
    Er erreichte den Torbogen zum Kathedralenhof. Die Kathedralenmauern waren mit dem weichen, silbrigen Licht der Strahler übergossen. Simon zögerte. Er würde zurückgehen. Sie dazu bringen, auf ihn zu hören. Nie hatte er etwas so sehr gewollt.
    Er blieb stehen. Er konnte sich ihr nicht wieder nähern.
    »Oh, verdammt noch mal«, sagte er laut.
    Rasch ging er den Weg entlang, schloss sein Auto auf und stieg ein.
    Zehn Minuten später bog er auf den Vorhof des Reviers. Kaum jemand würde da sein. Es gab immer Papierkram zu erledigen, was schneller ging, wenn es ruhig war und er nicht unterbrochen wurde. Es gab immer Arbeit.
    »Chef? Ist was passiert?« Der Diensthabende blickte überrascht von seinem Computer auf.
    »Nein«, sagte Simon auf dem Weg zur Treppe. »Überhaupt nichts.«
    »Das hör ich gern.« Der Sergeant senkte den Kopf und tippte weiter auf seiner Tastatur.
    »Überhaupt nichts.«

    Er arbeitete bis fast zwei Uhr. Danach war sein Schreibtisch leergeräumt. Als er ging, lud einer der Polizeibusse gerade drei von den Mädchen aus, die Simon vorhin gesehen hatte. Eine hatte getrocknetes Blut an der Schläfe.
    »Was glotzt du so, du Scheißtyp? Fuck, das ist Belästigung, dafür krieg ich euch am Arsch, verdammte Bullen.«
    Auf seinem Anrufbeantworter zu Hause waren zwei Nachrichten, eine von der Polizeipräsidentin.
    »Simon. Paula Devenish hier. Ich möchte etwas mit Ihnen besprechen. Besteht die Möglichkeit, dass Sie morgen Vormittag gegen elf ins Präsidium kommen?«
    Die andere war von seinem Vater.
    »Ich hatte gehofft, dich anzutreffen. Ich hätte dich gern irgendwann zum Lunch eingeladen. Wärst du so freundlich, mich zurückzurufen?«
    Simon schenkte sich einen Whisky ein. Die Wohnung war heiß. Er öffnete die drei hohen Fenster, um die Nachtluft hereinziehen zu lassen.
    Die Polizeipräsidentin. Beim letzten Mal, als sie ihn gebeten hatte, zu ihr zu kommen, und es nicht um eine laufende Ermittlung gegangen war, hatte sie ihm den Vorschlag gemacht, ob er nicht die neue Drogeneinheit leiten wolle, und dann, ob er an etwas auf dem Gebiet der Pädophilenkriminalität im Internet interessiert sei. Vielleicht ging es diesmal um Verkehrskontrolle. Großer Gott. Aber er würde ins Präsidium fahren müssen, genauso wie er morgen früh als Erstes seinen Vater würde anrufen müssen, um die Verabredung zum Lunch zu treffen und wieder gedrängt zu werden, bei den Freimaurern einzutreten.
    Doch in Richard Serraillers Stimme war eine ganz schwache Spur von etwas gewesen, das Simon zögerte, als »Bedürfnis« zu bezeichnen, aber es war sicherlich eine dringliche Bitte.
    Darauf konnte niemand antworten als er selbst.

Neunundsechzig
    P aula Devenish hatte gesagt, sie würde ihn gerne gegen elf Uhr sehen, doch bei ihren Terminen gab

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