Der Seelenjaeger
und prustete erneut los. Dieses Mal gab es auch für Lara kein Halten mehr. Der Schock schien überwunden und wir hielten uns gegenseitig lachend in den Armen. Nachdem wir uns beruhigt hatten und meine Sicht nicht mehr von Tränen verschleiert war, schaute ich mich um und deutete in eine Richtung.
„Dort entlang“, bestimmte ich. Lara nickte und folgte mir. Wir schienen es beide für das Beste zu halten, wenn ich die Führung übernähme. Immer brav die Hände vor den Körper streckend, tastete ich mich an den Glasscheiben entlang. Laras Hand schien bereits mit meinem Hosenbund verwachsen, als wir endlich ins Freie traten. Hinaus zu dem Turm, der dort im grellen Sonnenlicht vor uns glitzerte.
„Mann ist das hell“, sagte ich und schirmte die Augen vor der Sonne ab.
„So lange waren wir nun auch nicht dort drinnen, oder?“
Ich drehte mich noch einmal zu dem Glaskasten um und zuckte zusammen. Verschwunden. Futsch. Dort wo gerade noch das größte Glaslabyrinth der Piratenwelt gestanden hatte, war nichts als freies Feld. Kein Labyrinth, kein Freizeitpark, kein gar nichts.
Lara starrte aus schreckensweit aufgerissenen Augen in die Ferne. Die Hände hatte sie vor dem Mund geschlagen und stand kurz vorm Hyperventilieren.
Ich konnte sie nur zu gut verstehen, auch ich war erschrocken, doch saß der Schock wahrlich nicht so tief, wie bei ihr. Mir waren diese plötzlichen Veränderungen nicht mehr fremd, nachdem ich einige Zeit in Bota Ëndërr verbracht hatte. Alles deutete darauf hin, dass wir uns gerade in diesem fantastischen Land befanden.
Der dunkle Turm
Ich begab mich in Laras Sichtfeld und zog langsam ihre Arme herunter. Es dauerte einen Augenblick, bis sich ihr Blick endlich auf mich richtete, dann starrte sie mich ängstlich an.
„Ich glaub das nicht. Das kann doch nicht …“, murmelte sie.
Ich nickte verstehend und zog sie einfach hinter mir her.
„Komm“, forderte ich, „der Turm ist noch da und wegen dem sind wir hier. Zurück kommen wir schon irgendwie.“
Das kleine Wörtchen ‚hoffentlich' murmelte ich noch im Anschluss. Doch sie schien eh mit den Gedanken ganz woanders zu sein, als dass sie es gehört hätte.
Das düstere Bauwerk erreichten wir schnell und ich beäugte die hölzerne Tür misstrauisch.
„Du willst dort wirklich rein, oder?“, fragte mich meine beste Freundin, nachdem sie sich wieder einigermaßen gefangen hatte. Während des kurzen Weges zum Turm hatte sie sich immer wieder sehnsüchtig umgeschaut, doch nun schien sie bei der Sache zu sein. Die Schultern gestrafft, mit entschlossenem Blick, schaute sie sich ebenfalls den Eingang an.
„Natürlich will ich da rein“, gab ich unnützerweise zurück. Mir war flau in der Magengegend, meine Beine hatten das Zittern erneut aufgenommen. Inständig hoffte ich, dass wir Zad dort fänden. Ich würde ihn fest in den Arm nehmen, mit Küssen übersähen und erst dann mit der Standpauke beginnen.
„Aber du gehst vor!“, riss mich Lara aus meinen Gedanken.
„Kein Problem“, sagte ich und stieg die wenigen Stufen hinauf. Lara folgte zögerlich. Drei bis fünfundzwanzig Mal atmete ich tief durch, dann stieß ich die Tür auf und schaute ins Innere.
„Gibt es dort Ratten?“, wurde ich vom Treppenabsatz gefragt.
Irritiert schaute ich zurück.
„Seit wann hast ausgerechnet
du
Angst vor Ratten?“, fragte ich verblüfft.
„Hab ich nicht. Wollte es nur wissen“, grinste sie zurück.
Ich rollte mit den Augen und richtete meinen Blick erneut ins Bauwerk. Es dauert eine Weile bis sich meine Augen an das Dunkel, welches den Raum beherrschte, gewöhnten. Dann riss ich erschrocken den Mund auf und rannte hinein.
„Zad!“, schrie ich und eilte auf meinen Freund zu. Sein Körper war an der steinernen Wand angekettet, der Kopf hing schlaff auf der Brust.
„Nein. Oh Gott! Bitte nicht! Oh Gott, oh Gott, oh Gott!“
„Was? Was ist passiert?“, rief Lara, die gerade durch die offenstehende Tür preschte. Wie angewurzelt blieb sie stehen.
„Scheiße“, vernahm ich aus ihrem Mund, als sie des Offensichtlichen gewahr wurde.
Ich war damit beschäftigt, die Ketten näher unter die Lupe zu nehmen, als Lara neben mich trat.
„Mist. Was ist denn hier los?“, fragte sie beinahe hysterisch.
„Keine Ahnung. Los hilf mir mit den Riegeln“, herrschte ich sie an.
„Klar“, gab sie knapp zurück und begann, an Zads anderem Handgelenk herumzuhantieren.
„Tür“, krächzte eine schwache Stimme von der anderen Seite des
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