Der Seelenschluessel
Toten auf zwei Millionen. Premierminister Li und mindestens das halbe Parlament waren während der Bombardierung in der Hauptstadt. Überall auf dem Planeten herrscht Chaos.«
»O’Brien«, flüsterte Winn durch zusammengebissene Zähne.
Opaka sackte in sich zusammen. »Es sollte doch nur ein Bluff sein«, murmelte sie. »Er gab mir sein Wort, dass er niemals wirklich …«
»Das Wort eines Terraners«, knurrte Winn mit unverhohlener Bitterkeit.
Prynn öffnete den Mund, als wollte sie Winns Urteil über ihre Spezies vehement widersprechen. Doch ihr fehlten die Worte.
»Lass gut sein, mein Kind«, beschwichtigte Opaka und warf Winn einen wütenden Blick zu. »Adami ist nur aufgewühlt, wie wir alle.«
»Was ist mit der Flotte?«, wollte Jaro wissen. »Was ist mit der Raumstation?«
Prynn schluckte. »Die Allianz bestätigt, dass die Intendantin Terok Nor eingenommen hat. Für die Dauer des momentanen Notstands kontrolliert sie von dort alle planetaren Angelegenheiten, heißt es.«
Die Bajoraner sahen einander an. Die Farbe war aus ihren Gesichtern gewichen.
»Geh, Kind«, trug Opaka Prynn auf. »Sieh, was du noch erfahren kannst.«
»Aber ich …«
»Pssst«, sagte Opaka sanft. »Geh. Ich sehe später nach dir.«
Prynn nickte und wandte sich um. Vaughn sah ihr nach. Ihr Haar war länger als das seiner Tochter und zurückgebunden. Ruriko hatte es manchmal so getragen.
Ruriko? Grundgütiger, was ist, wenn auch sie hier irgendwo noch lebt?
Plötzlich bemerkte Prynn ihn. Sie blieb stehen. Sie starrte ihn an. Zwar hatte sie die Verzweiflung über Ashallas Ende sichtlich noch nicht überwunden, doch in diesen wenigen Sekunden schien sie sie einfach zu vergessen.
Vaughn nickte ihr zu. Er wusste nicht, was er sonst tun sollte.
Einen Moment später erwiderte sie das Nicken. Dann verließ sie den Raum.
»… gewissenlos!«, rief Winn. »Du hast sie doch gehört, Sulan! Zwei Millionen Tote! Einmal mehr zeigen uns diese Terraner, was sie wirklich sind.«
»Wir hätten mehr tun sollen«, murmelte Opaka und schüttelte entschieden den Kopf. »Wenn wir Bajor früher und energischer gegen die Allianz positioniert hätten …«
»Dann hätte sie ihre Flotte gegen uns gerichtet«, ergänzte Winn.
»Wie sollen wir jetzt noch weitermachen?«, fragte Opaka.
»Gar nicht! Die Verbindung zwischen unserer Bewegung und der Rebellion ist Geschichte. Vekobet muss sofort geschlossen werden. Falls irgendjemand davon Wind bekommt, dass wir den Rebellen geholfen haben …«
»Was ist mit den Splittern?«, gab Opaka zu bedenken.
Winn wirkte wie beflügelt, als hätte sie für sich eine neue, motivierende Aufgabe gefunden. »Wir haben den Nottunnel im Reliquienschrein genau für solche Krisen gebaut, Sulan. Essa kann sich einige Wachen schnappen, aus dem Tal fliehen und die Artefakte den Fluss hinunter bis zur Enklave in Mylea bringen.«
Opaka schüttelte den Kopf. »Wir dürfen nicht einfach …«
»Genug!«, rief Jaro. »Es ist vorbei!«
Winn und Opaka schwiegen schockiert. Jaro ließ sich in seinen Sitz zurückfallen und stützte den Kopf mit beiden Händen.
»Es ist vorbei«, flüsterte er.
»Einen
Kosst
ist es«, widersprach Kira. Sie ergriff die Tischkante mit beiden Händen und kippte das ganze Möbelstück um. Die Bajoraner sprangen auf, als der Tisch krachend zu Boden stürzte. Nun hatte sie ihre volle Aufmerksamkeit.
»Was erlauben Sie sich?«, fragte Jaro wütend.
»Nein. Was erlauben
Sie
sich?«, blaffte der Captain zurück und deutete mit ausgestrecktem Arm auf alle drei. »Sie reden die ganze Zeit davon, was es Ihrem
Pagh
antun würde, wenn Sie nicht kämpfen – und jetzt wollen Sie den Schwanz einziehen und sterben?«
»Ich erkenne, was Sie erreichen wollen, Captain«, sagte Jaro. »Sie glauben, Scham könne uns aus unserer Trauer reißen … dass wir uns irgendwie selbst überzeugen, den zwei Millionen Toten posthum eine Bedeutung zu geben. Aber nichts, was wir tun könnten, wird sie wieder lebendig machen. Nichts wird ihr Opfer lohnend machen. Es ist einfach zu viel. Zu viel!«
Kira packte den Doktor an den Schultern und schüttelte ihn grob. »Hören Sie zu. Ich verstehe, wie Sie sich fühlen.«
»Sie können unmöglich …«
»Ich
kann
«, widersprach Kira. »Ich kenne Tod und Zerstörung besser, als ich es selbst für möglich gehalten hätte. Aber in den finstersten Zeiten besann ich mich stets auf meinen Glauben – und fand die Tugenden wieder, die uns die Propheten gezeigt haben.
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