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Der Seewolf

Der Seewolf

Titel: Der Seewolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack London
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Ecke schaute, wollte ich loslaufen, um meine Arbeit zu tun.
    Doch Wolf Larsen brüllte ihn an: »Köchlein, heute Abend musst du selber schaffen! Hump und ich sind beschäftigt.«
    Und wieder einmal geschah das Unerwartete. Ich saß mit dem Kapitän und den Jägern am Tisch, während Thomas Mugridge uns bediente und hinterher abwusch. Diese neuerliche Laune Wolf Larsens würde mich bestimmt in Schwierigkeiten bringen. Wir redeten und redeten, was den Jägern gründlich missfiel, denn sie verstanden kein einziges Wort davon.

Drei Tage Ruhe, drei herrliche Tage Ruhe, wurden mir durch Wolf Larsen zuteil. Ich aß mit ihm am Tisch und tat nichts anderes als zu reden: über das Leben, über Literatur und über das Universum. Thomas Mugridge schäumte vor Wut und erledigte meine Arbeit mit.
    »Nimm dich in Acht, kann ich dir nur raten«, warnte Louis, während wir beide eine halbe Stunde Pause an Deck verbrachten. Wolf Larsen versuchte derweil einen Streit zwischen den Jägern zu schlichten.
    »Man kann nie wissen, was passiert«, meinte Louis. »Der Alte ist so unberechenbar wie der Wind oder die Strömung.«
    Ich war deshalb nicht allzu überrascht, als das Unwetter tatsächlich über mich hereinbrach. Wir hatten mal wieder eine hitzige Diskussion über das Leben und übermütig geworden kritisierte ich Wolf Larsen und sein Verhalten. Dabei behandelte ich ihn genauso hart und schonungslos, wie er mit anderen umzuspringen pflegte. Da wurde seine dunkle Sonnenbräune fast schwarz vor Wut und seine Augen loderten. Es war die schreckliche Wut eines Wahnsinnigen und ich erkannte den Wolf in ihm.
    Brüllend sprang er auf mich zu, packte meinen Arm. Ich hatte mir fest vorgenommen, es auszuhalten, obwohl ich innerlich zitterte. Doch die unglaubliche Kraft dieses Mannes erschütterte meine Standhaftigkeit. Mit nur einer Hand hatte er meinen Arm ergriffen, doch als er fester zudrückte, wand ich mich und schrie auf. Ich verlor den Boden unter den Füßen, meine Muskeln versagten. Der Schmerz war zu stark. Sollte mein Arm zu Brei gequetscht werden? Doch Wolf Larsen beruhigte sich und lockerte seinen Griff. Der Laut, den er dabei ausstieß, war eher ein Knurren als ein Lachen. Ich sank auf den Boden. Er aber setzte sich und zündete sich eine Zigarre an. Dabei beobachtete er mich, wie eine Katze eine Maus beobachtet. In seinen Augen stand Neugier, die altbekannte Frage, was dies alles zu bedeuten habe. Schließlich rappelte ich mich auf die Beine und ging hinauf. Das gute Wetter war für mich vorüber, mir blieb nichts anderes übrig als zur Kombüse zurückzukehren.
    Mein linker Arm war taub und es dauerte Tage, bis ich ihn wieder gebrauchen konnte. Dabei hatte Wolf Larsen nichts anderes getan, als ihn mit seinen Fingern zu umfassen und zuzudrücken. Was er wirklich mit mir hätte anstellen können, erfuhr ich erst am nächsten Tag, als er in der Kombüse vorbeischaute um zu fragen, wie es mir gehe.
    »Es hätte schlimmer ausgehen können«, meinte er lächelnd. Dabei nahm er eine Kartoffel aus dem Eimer. Sie war groß, fest und noch nicht geschält. Er umschloss sie mit der Hand, drückte und der Saft spritzte zwischen seinen Fingern hervor. Nun konnte ich mir vorstellen, was aus mir geworden wäre, wenn das Ungeheuer seine Kraft ausgespielt hätte.
    Trotzdem hatte mir die dreitägige Erholung gut getan. Meinem Knie ging es erheblich besser. Andererseits gab es die Schwierigkeiten, die ich vorausgesehen hatte. Thomas Mugridge wollte mich für die drei freien Tage bezahlen lassen. Er behandelte mich schlecht, beschimpfte mich ununterbrochen und bürdete mir seine eigene Arbeit zusätzlich auf. Er erhob sogar seine Faust gegen mich, doch ich benahm mich inzwischen ebenfalls wie ein Tier. Ich fauchte ihm so wild ins Gesicht, dass er erschrocken zurückfuhr. Kein angenehmes Bild, das ich, Humphrey van Weyden, inzwischen bot! Es erinnerte mich stark an eine Ratte in der Falle.
    Zwei wilde Bestien waren wir, die sich, eng zusammengepfercht, gegenseitig die Zähne zeigten. Der Koch war ein Feigling. Er wagte es nicht, mich zu schlagen, weil ich mich ihm nicht untergeordnet hatte. Nun ließ er sich etwas Neues einfallen, um mich in Angst und Schrecken zu versetzen.
    Es gab ein einziges, wirklich brauchbares Messer in der Kombüse. Es besaß eine lange, biegsame Klinge. Thomas Mugridge besorgte sich einen Wetzstein und begann dieses Messer zu schärfen. Dabei zog er eine große Schau ab und sah immer wieder bedeutungsvoll zu mir herüber.

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