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Der Seewolf

Der Seewolf

Titel: Der Seewolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack London
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verankere ich den Schoner ein Stück vom Strand entfernt. Dann sind wir nachts vor Wolf Larsen sicher.«
    Wir erwachten früh und waren schon fast mit dem Frühstück fertig, als es hell wurde.
    »Oh, Humphrey«, hörte ich Maud unglücklich rufen. Sie deutete hinunter zur Ghost. »Die Schere ...«
    Die Schere war nicht zu sehen.
    »Wehe ihm!«, stieß ich hervor.
    Da legte sie ihre Hand auf meine. »Sie müssen noch einmal von vorn anfangen.«
    Ich lächelte bitter. »Er weiß, dass ich ihm nichts antun kann. Das ist das Schlimme. Wenn er die Schere zerstört hat, bleibt mir wirklich nichts anderes übrig als von vorn zu beginnen. Aber danach, das schwöre ich, übernachte ich auf der Ghost und sehe ihm auf die Finger.«
    »Aber ich will nachts nicht allein hier bleiben«, sagte Maud. »Warum kann er nicht freundlich zu uns sein und uns unterstützen? Dann könnten wir gemeinsam an Bord wohnen.«
    »Das werden wir auch«, rief ich zornig, denn der Verlust meiner geliebten Schere hatte mich schwer getroffen. »Das heißt, Sie und ich werden an Bord wohnen, egal, ob Wolf Larsen uns freundlich gesinnt ist!«
    Er hatte ganze Arbeit geleistet. Die Schere war verschwunden, das Tauwerk zerschnitten. Er hatte die Winde zerbrochen und alle Masten, Spieren und Gaffeln ins Wasser geworfen.
    In Mauds Augen schimmerten Tränen und auch ich hätte weinen können.
    »Er verdient den Tod«, rief ich, »aber ich bin nicht Manns genug, um den Henker zu spielen!«
    Maud strich mir übers Haar wie einem verzweifelten Kind. »Alles wird gut, glauben Sie mir. Das Recht ist auf unserer Seite, deshalb wird alles gut.«
    Ich lehnte mich an sie und neue Kraft strömte durch meinen Körper. Was war schon geschehen? Nur ein Aufschub, eine Verzögerung. Die Masten konnten nicht allzu weit fortgetrieben sein, denn es herrschte kein Wind. Außerdem wussten wir jetzt, was wir von Wolf Larsen zu halten hatten.
    Ich sah in Mauds braune Augen und alles Übel verlor seine Bedeutung. Ich liebte sie und meine Liebe würde mir Kraft geben, unsere Rückkehr in die Welt zu bewerkstelligen.

Zwei Tage lang suchten Maud und ich das Meer und die Küste nach den Masten ab. Erst am dritten Tag fanden wir sie und auch die Schere, und zwar ausgerechnet mitten in der tosenden Brandung zwischen den Klippen vor den Felsen. Wieder einmal plagten wir uns bis zur Erschöpfung und kehrten erst bei einbrechender Dunkelheit mit dem Großmast im Schlepptau in unsere Bucht zurück. Da völlige Windstille herrschte, mussten wir die gesamte Strecke rudern.
    Den folgenden Tag mühten wir uns mit der Bergung der Toppmasten ab und am dritten Tag band ich mit dem Mut der Verzweiflung Fockmast, Vorder- und Hauptbaum sowie Vorder- und Hauptgaffel zusammen. Da der Wind günstig schien, wollte ich diese Fuhre unter Segel zur Ghost zurückbefördern. Aber der Wind legte sich rasch, sodass wir wieder rudern mussten. Unsere Last war so schwer, dass wir kaum vorankamen. Schon wurde es dunkel und zu allem Unglück kam Gegenwind auf.
    Wir kämpften beide verbissen, bis wir nicht mehr konnten. Dann zog ich die Ruder ein und beugte mich zu der Leine hinunter, an der das Schlepptau befestigt war. Mauds Hände hielten mich zurück.
    »Was wollen Sie tun?«, fragte sie mit angespannter, erschöpfter Stimme.
    »Sie losmachen«, antwortete ich, doch ihre Finger schlossen sich um meine.
    »Bitte nicht!«
    »Aber es hat keinen Zweck. Es wird Nacht und der Wind treibt uns aufs Meer hinaus.«
    »Humphrey, bedenken Sie doch, wenn wir die Ghost nicht klarbekommen, müssen wir vielleicht jahrelang auf dieser Insel ausharren - womöglich unser ganzes Leben.«
    »Lieber jahrelang auf der Insel als in diesem offenen Boot sterben«, sagte ich. »Wir haben keinen Proviant dabei, kein Wasser, keine Decken, überhaupt nichts. Sie würden die Nacht nicht überleben, Sie zittern ja jetzt schon.«
    »Das ist nur Nervosität, weil ich Angst habe, dass Sie die Bäume losmachen. Tun Sie es nicht, Humphrey, bitte, bitte!«
    Mit diesen beiden Worten hatte sie mich in der Hand und so endete unsere Debatte. Die ganze Nacht hindurch froren wir erbärmlich und es war mir unbegreiflich, wie Maud es aushielt. Als der Morgen dämmerte, sahen wir unsere Insel als kleinen, dunklen Fleck gegen den Horizont, etwa fünfzehn Meilen entfernt. Mit dem Fernglas beobachtete ich das Meer. Weit im Südwesten bemerkte ich eine dunkle Linie, die rasch näher kam.
    »Günstiger Wind!«, rief ich heiser.
    Maud wollte etwas sagen, aber ihre

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