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Der Seewolf

Der Seewolf

Titel: Der Seewolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack London
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jegliche Brutalität absolut fremd gewesen. Der Junge, der mindestens hundertfünfzig Pfund wog, klappte zusammen. Wie ein nasses Handtuch hing sein Körper über Larsens Faust. Dann wurde er in die Luft geworfen, beschrieb einen Bogen und stürzte kopfüber neben dem Leichnam aufs Deck, wo er sich vor Schmerzen krümmte.
    »Nun«, wandte Wolf Larsen sich an mich, »haben Sie sich inzwischen entschlossen?«
    Ich hatte den sich nähernden Schoner im Auge behalten, der sich jetzt fast auf unserer Höhe befand und nur ein paar hundert Meter entfernt war. Ein hübsches und gepflegtes Schiff. Auf einem der Segel konnte ich eine schwarze Zahl erkennen. Solche Lotsenboote hatte ich schon auf Bildern gesehen.
    »Was ist das für ein Schiff?«, fragte ich.
    »Der Lotsenschoner Lady Mine«, sagte Wolf Larsen kalt. »Sie haben die Lotsen abgesetzt und fahren jetzt nach San Francisco zurück. Bei diesem Wind werden sie fünf oder sechs Stunden brauchen.«
    »Bitte geben Sie ihnen ein Signal, damit ich an Land gebracht werden kann!«
    »Tut mir Leid, mein Signalbuch ist über Bord gefallen«, antwortete er und die Jäger grinsten.
    Ich starrte ihn an und die Gedanken überschlugen sich in meinem Kopf. Es sollte mir nicht genauso ergehen wie dem armen Kajütenjungen. Dann vollbrachte ich die tapferste Tat meines bisherigen Lebens. Ich stürzte zur Reling, schwenkte die Arme und schrie: »Lady Mine, ahoi, bringt mich an Land! Tausend Dollar, wenn ihr mich an Land bringt!«
    Ich wartete. Zwei Männer standen am Rad, einer steuerte, der andere setzte ein Sprachrohr an die Lippen. Ich drehte mich nicht um, obwohl ich jeden Moment einen Schlag von der menschlichen Bestie hinter mir erwartete. Doch schließlich konnte ich die Spannung nicht länger ertragen ...
    Wolf Larsen hatte sich nicht gerührt. Er stand noch genauso da wie vorher, leicht schwankend beim Rollen des Schiffes, und zündete sich eine frische Zigarre an.
    »Was ist los, stimmt was nicht?«, rief jemand von der Lady Mine. »Ja«, brüllte ich, »Tod oder Leben! Eintausend Dollar, wenn ihr mich an Land bringt.«
    »Der Aufenthalt in Frisco ist meiner Mannschaft nicht gut bekommen«, schrie Wolf Larsen hinüber. »Dieser hier«, er zeigte auf mich, »sieht überall Seeschlangen und Affen!«
    Da lachte der Mann auf der Lady Mine durch sein Sprachrohr und das Boot setzte seinen Kurs fort.
    Verzweifelt lehnte ich an der Reling und schaute ihnen nach. Mein Kopf schien zu zerspringen und meine Kehle brannte. Eine Welle schwappte über die Reling und besprühte meine Lippen mit Salzwasser. Der Wind hatte aufgefrischt und die Ghost krängte stark.
    An Lee tauchte die Reling unter Wasser. Eine Welle überspülte das Deck.
    Der Kajütenjunge rappelte sich auf die Füße. Sein Gesicht war gespenstisch weiß.
    »Na, Leach, bewegst du dich jetzt nach vorn?«, fragte Wolf Larsen.
    »Ja, Sir.«
    »Und Sie?«, wurde ich gefragt. »Ich gebe Ihnen tausend ...«
    »Vergessen Sie das! Wollen Sie jetzt endlich Ihre Pflichten als Kajütenjunge aufnehmen oder soll ich Ihnen erst eine Abreibung verpassen?«
    Was sollte ich tun? Brutal geschlagen oder gar getötet zu werden würde meine Lage kaum verbessern. Ich sah in die grausamen grauen Augen. Sie schienen aus Granit zu sein. Jedes Licht, jede menschliche Wärme fehlte ihnen.
    »Nun?«
    »Ja«, stieß ich hervor.
    »Sagen Sie: Ja, Sir!«
    »Ja, Sir.«
    »Wie heißen Sie?«
    »Van Weyden, Sir.«
    »Vorname?«
    »Humphrey, Sir, Humphrey van Weyden.« »Alter?«
    »Fünfunddreißig, Sir.«
    »In Ordnung. Gehen Sie zum Koch und lassen Sie sich anlernen!« So begann mein unfreiwilliger Dienst für Wolf Larsen. Er war stärker als ich. Das war alles. Aber das Ganze war völlig unwirklich. Alles scheint immer noch völlig unwirklich, wenn ich daran zurückdenke. Es wird immer ein entsetzlicher Albtraum bleiben.
    »Halt, warten Sie mal!« Ich blieb gehorsam stehen.
    »Johansen, rufen Sie die Mannschaft zusammen! Da wir jetzt alles im Griff haben, wollen wir gleich das Begräbnis abwickeln, damit kein überflüssiger Plunder an Deck herumliegt.«
    Einige Männer packten die Leiche mitsamt dem Lukendeckel. Dann schafften sie sie nach Lee und legten sie auf eines der kleinen Boote, die auf beiden Seiten des Decks über der Reling hingen. An ihrem Fußende wurde ein Kohlensack befestigt.
    Unter einem Begräbnis auf See hatte ich mir immer etwas Feierliches vorgestellt, doch jetzt wurde ich eines Besseren belehrt. Smoke, einer der Jäger, erzählte

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