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Der Seewolf

Der Seewolf

Titel: Der Seewolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack London
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sie zermalmen. Wohl oder übel hielt ich still, obwohl ich mich erneut wie ein Schuljunge fühlte. Währenddessen wurden die Taschen des Toten geleert und sein Körper in ein Stück Segeltuch eingewickelt. Johansen nähte den groben Stoff zusammen.
    Wolf Larsen ließ meine Hand verächtlich fallen. »Der Hände Arbeit ihres Vaters hat Ihre Hände weich und zart gehalten. Kaum zu etwas Besserem zu gebrauchen als zum Abwaschen und zum Küchendienst.«
    »Ich wünsche ans Ufer gebracht zu werden«, sagte ich bestimmt, denn nun hatte ich mich wieder unter Kontrolle. »Ich bezahle Ihnen, was immer Sie fordern wegen des zeitlichen Aufschubs und Ihres Aufwands.«
    Der Kapitän musterte mich neugierig. Spott stand in seinen Augen. »Ich habe einen besseren Vorschlag. Mein Steuermann ist tot und es wird einige Beförderungen geben. Ein Matrose wird Steuermann, ein Kajütenjunge wird Matrose und Sie nehmen den Platz des Kajütenjungen ein. Dafür bekommen Sie zwanzig Dollar im Monat und freie Verpflegung. Was sagen Sie dazu? Und bedenken Sie: Es ist nur zu Ihrem Besten. Auf diese Weise wird etwas aus Ihnen. Womöglich lernen Sie auf eigenen Füßen zu stehen und ein bisschen herumzutappen.«
    Doch ich beachtete ihn nicht. Die Segel, die ich im Südwesten gesichtet hatte, waren inzwischen größer und deutlicher geworden. Ein schöner Anblick! Das Schiff schien mit ausgebreiteten Flügeln auf uns zuzurauschen und sein Kurs führte anscheinend dicht an uns vorüber. Der Wind hatte zugenommen.
    »Das Schiff dort kommt näher«, sagte ich. »Da es in die entgegengesetzte Richtung segelt, will es zweifellos nach San Francisco.«
    »Ja, wahrscheinlich«, lautete Wolf Larsens Antwort. Er wendete sich von mir ab und rief: »Köchlein, hallo, Köchlein!« Der Londoner stürzte aus seiner Kombüse. »Wo steckt der Junge? Sag ihm, er soll kommen!«
    »Ja, Sir.« Thomas Mugridge flitzte nach achtern und verschwand über eine Treppe in der Nähe des Steuerrads. Als er kurz darauf wieder auftauchte, hatte er einen kräftigen Burschen im Schlepptau, der finster dreinblickte und etwa 18 Jahre alt war.
    »Bitte sehr, Sir«, sagte der Koch. Doch Wolf Larsen ignorierte ihn und wendete sich an den Kajütenjungen.
    »Wie heißt du?«
    »George Leach, Sir.« Diese Auskunft klang verdrießlich. Anscheinend wusste der Junge, warum er herbeikommandiert worden war.
    »Das ist aber kein irischer Name«, rief der Kapitän. »So wie du aussiehst, muss doch ein Ire bei deiner Mutter im Bett gelegen haben.«
    Ich bemerkte, wie der Junge die Fäuste ballte. Sein Kopf wurde knallrot.
    »Was soll's«, sagte Wolf Larsen, »dein Name kann mir egal sein, solange du deine Arbeit ordentlich machst. Wer hat dich angeheuert?«
    »McCready und Swanson.« »Sir!«, donnerte Wolf Larsen.
    »McCready und Swanson, Sir«, berichtigte sich der Junge. Seine Augen brannten.
    »Wer hat den Vorschuss erhalten?« »Die beiden.«
    »Das habe ich mir gedacht. Und du hast dir ins Fäustchen gelacht und dich schleunigst aus dem Staub gemacht, was?«
    Jetzt verlor der Junge die Beherrschung. »Das ist...«
    »Was?«, fragte Wolf Larsen freundlich.
    »Nichts, Sir. Ich nehme es zurück.«
    »Ich wusste doch, dass ich Recht hatte.« Wolf Larsen grinste. »Wie alt bist du?«
    »Gerade 16 geworden, Sir.«
    »Schlichtweg gelogen! Du bist mindestens 18 und groß für dein Alter. Muskeln wie ein Pferd. Hol deine Sachen und geh nach vorn in die Back. Du bist zum Leichtmatrosen befördert, kapiert?«
    Ohne eine Antwort abzuwarten wendete sich der Kapitän an den Matrosen, der eben damit fertig geworden war, die Leiche einzunähen.
    »Johansen, verstehst du etwas von Navigation?«
    »Nein, Sir.«
    »Na, macht nichts. Du bist jetzt trotzdem Steuermann. Bring deine Siebensachen zur Steuermannskabine.«
    »Ay, ay, Sir!« Johansen stürmte froh nach vorne.
    Der ehemalige Kajütenjunge hatte sich nicht vom Fleck gerührt. »Worauf wartest du noch?«, fragte Wolf Larsen.
    »Ich habe mich nicht als Leichtmatrose eintragen lassen, Sir, sondern als Kajütenjunge. Ich will kein Leichtmatrose sein.« »Pack deinen Kram und mach, dass du nach vorn kommst!«
    Der Junge schaute finster drein, rührte sich aber nicht von der Stelle. Da erfolgte ein neuer Ausbruch von Wolf Larsens gewaltiger Kraft. Es geschah vollkommen unerwartet und war in zwei Sekunden vorüber. Sechs Fuß weit sprang der Mann über die Planken und boxte dem Jungen in den Magen. Mir wurde schon vom Zusehen übel. Bis zu diesem Tag war mir

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