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Der Seewolf

Der Seewolf

Titel: Der Seewolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack London
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Kiefer fiel herunter, seine Gesichtszüge erstarrten.
    Plötzlich geschah etwas völlig Unerwartetes. Der Kapitän überschüttete den Toten mit einer Flut von Verwünschungen und Flüchen, den schrecklichsten Gotteslästerungen. Anscheinend hatte der Verstorbene an einem wüsten Gelage teilgenommen, bevor man von San Francisco aus in See stach. Jetzt stand Wolf Larsen gleich zu Beginn seiner Reise ohne Steuermann da! Doch genauso plötzlich, wie er damit begonnen hatte, hörte er zu fluchen auf. Er zündete sich seine Zigarre wieder an und sah sich um.
    Seine Blicke trafen den Koch.
    »Nun, Köchlein?« Seine Stimme war kalt wie Stahl.
    »Ja, Sir?«, fragte der Koch unterwürfig.
    »Meinst du nicht, dass du deine Nase lang genug herausgestreckt hast? Das ist ungesund, wie du weißt. Der Steuermann ist fort, jetzt kann ich nicht auch noch dich verlieren. Du musst gut auf deine Gesundheit achten, Köchlein. Verstanden?« Das letzte Wort knallte wie ein Peitschenhieb. Der Koch duckte sich.
    »Ja, Sir«, meinte er verdattert, während er seinen Kopf zurückzog. Der Rest der Mannschaft machte sich unverzüglich wieder an die Arbeit. Einige Männer allerdings, die keine Matrosen zu sein schienen, unterhielten sich leise miteinander. Wie ich später erfuhr, waren das die Jäger; jene Männer, die die Robben erlegten. Sie genossen mehr Ansehen als die Matrosen.
    »Johansen!«, rief Wolf Larsen und ein Seemann trat vor. »Beschaff dir Nadel und Faden und näh den Kerl da ein. Ein Stück Leinwand findest du in der Truhe mit dem Segeltuch. Beeil dich!« »Was sollen wir ihm an die Füße hängen, Sir?«
    »Wird sich finden.« Wolf Larsen erhob seine Stimme und brüllte: »Köchlein!«
    Daraufhin schoss Thomas Mugridge aus seiner Kombüse wie ein Kastenteufel.
    »Lauf runter und füll einen Sack mit Kohle! - Hat einer von euch eine Bibel oder ein Gebetbuch?«, wandte er sich an die herumlungernden Jäger.
    Sie schüttelten die Köpfe und einer von ihnen machte einen dummen Witz. Da fragte Wolf Larsen die Matrosen. Aber offensichtlich waren Bibeln und Gebetbücher seltene Artikel an Bord, denn nichts dergleichen ließ sich beschaffen.
    Der Kapitän zuckte mit den Schultern. »Dann versenken wir ihn eben ohne großes Gerede, es sei denn, unser Schiffbrüchiger kennt den Begräbnisgottesdienst auswendig. Sie sind doch Pastor, oder?«, fragte er mich.
    Die Jäger glotzten mich an. Mir war klar, dass ich aussah wie eine Vogelscheuche, und alle fingen an zu lachen. Keine Spur von Ehrfurcht gegenüber dem Toten auf den Planken oder gar Höflichkeit mir gegenüber. Wolf Larsen lachte nicht, aber er wirkte amüsiert. Während sein Gesicht auf den ersten Blick kompakt und vierschrötig wirkte, vermittelte es bei näherer Betrachtung eine enorme Willenskraft, die tief in seinem Wesen verwurzelt schien. In seinem Blick lag eine unendliche Energie und Männlichkeit. Seine Augen waren groß und sehr schön. Sie lagen weit auseinander und wurden von buschigen schwarzen Brauen beschattet. Sie waren grau, doch dieses Grau nahm immer wieder neue Schattierungen an: mal dunkel, mal hell, mal grünlich und manchmal so blau wie das Meer. Meistens verbargen diese Augen Wolf Larsens Seele, aber in einigen seltenen Momenten verrieten sie sein wahres Wesen.
    Ich antwortete ihm, dass ich kein Priester sei.
    »Wie verdienen Sie sich dann Ihren Lebensunterhalt?«
    Ich war ziemlich verblüfft, denn diese Frage hatte ich mir selbst noch nie zuvor gestellt.
    »Ich ... ich bin ein Herr«, stammelte ich.
    Seine Lippen kräuselten sich vor Verachtung.
    »Ich habe gearbeitet. Ich arbeite!«, verteidigte ich mich, als ob er mein Richter wäre. Gleichzeitig fand ich unsere Diskussion ziemlich absurd.
    »Für Ihren Lebensunterhalt?« Seine Stimme klang so herrisch und forsch, dass ich mich wie ein Schulkind fühlte. »Wer versorgt Sie?«, lautete seine nächste Frage.
    »Ich verfüge über ein Einkommen, doch das hat nicht das Geringste damit zu tun, worüber ich mit Ihnen zu sprechen wünsche.« Er beachtete meinen Einwurf überhaupt nicht.
    »Wer hat es denn verdient, he? Ah, ich kann es mir schon denken, Ihr Vater. Sie leben von dem Besitz eines Toten, haben niemals selbst etwas besessen. Sie könnten sich allein nicht mal von einem Tag auf den anderen ernähren. Zeigen Sie mir mal Ihre Hände!« Schon hatte er meine rechte Hand gepackt und begutachtete sie. Ich wollte sie ihm entziehen, aber seine Finger umschlossen sie so fest, dass ich fürchtete, er wollte

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