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Der seltsame Fall von Dr. Jekyll und Mr. Hyde

Der seltsame Fall von Dr. Jekyll und Mr. Hyde

Titel: Der seltsame Fall von Dr. Jekyll und Mr. Hyde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert L Stevenson
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ihn los, und das Lachen erstarb auf seinem Antlitz; ein Glück für ihn, doch noch ein größeres Glück für mich selbst, denn im nächsten Augenblick hätte ich ihn sicherlich von seinem Sitz heruntergezerrt. In dem Hotel blickte ich bei meinem Eintritt mit so finsterem Ausdruck um mich, daß alle Bedienten ein Zittern überlief. Auch nicht einen Blick wagten sie in meiner Gegenwart zu wechseln. Unterwürfig nahmen sie meine Befehle entgegen, führten mich in ein Gastzimmer und brachten mir Schreibmaterial. Hyde in Lebensgefahr war für mich ein neues Wesen: bebend vor unmäßigem Zorn, bereit zu neuem Mord, begierig, Schmerz zu erzeugen. Dennoch war das Geschöpf schlau; mit großer Willensanstrengung meisterte es seine Wut, entwarf die beiden wichtigen Briefe, einen an Lanyon und einen an Poole, und um ganz sicher zu gehen, daß sie zur Post gebracht würden, schickte es sie mit der Anweisung fort, daß sie eingeschrieben werden sollten. Den ganzen weiteren Tag saß es, Nägel kauend, in seinem Zimmer neben dem Feuer; dort aß es auch allein mit seinen Nöten, während der Kellner es zitternd bediente; dann, als die Nacht hereingebrochen war, lehnte es sich wieder zurück in die Ecke einer geschlossenen Droschke und ließ sich planund ziellos durch die Straßen der Stadt fahren. »Es« sage ich - ich kann nicht ich sagen. Jenes Kind der Hölle hatte nichts Menschliches an sich, nur Furcht und Haß lebte in seinem Innern, und als Hyde endlich glaubte, der Kutscher finge an argwöhnisch zu werden, entließ er die Droschke und wagte sich, bekleidet mit seinem unordentlichen Anzüge, ein Gegenstand, bestimmt aufzufallen, mitten durch die nächtlichen Spaziergänger zu Fuß weiter, während diese beiden Grundleidenschaften wie ein Sturmwind sein Inneres durchtosten. Rasch schritt er aus, von Furcht gehetzt, im Selbstgespräch, nach Möglichkeit durch die weniger belebten Straßen schleichend, und zählte die Minuten, die ihn noch von der Mitternachtsstunde trennten. Einmal sprach ihn eine Frau an und bot ihm, wie ich glaube, eine Schachtel Streichhölzer zum Kauf. Er schlug ihr ins Gesicht, und sie entfloh.
    Als ich bei Lanyon zu mir selbst kam - der Schauder meines alten Freundes erschütterte mich vielleicht ein wenig, ich weiß es nicht. Es war im höchsten Falle nur ein Tropfen in dem Meer des Abscheus, mit dem ich an diese Stunden zurückdachte. Eine Veränderung war mit mir vorgegangen. Nicht länger war es die Furcht vor dem Galgen, es war der Schauder, Hyde zu sein, der mich folterte. Lanyons Verdammungsurteil vernahm ich teils wie im Traum. Wie im Traum ging ich heim in mein eigenes Haus und legte mich zu Bett. Nach der Anspannung des Tages schlief ich einen festen und tiefen Schlaf, den nicht einmal der Alp, der mich bedrückte, zu unterbrechen vermochte. Am Morgen erwachte ich, erschüttert, geschwächt und doch erfrischt. Noch immer peinigte mich der gleiche Gedanke und erfüllte mich mit Haß gegen die Bestie, die in mir schlummerte, und ich hatte keineswegs die entsetzlichen Gefahren des verflossenen Tages vergessen, aber ich war doch wieder daheim in meinem eigenen Hause, dicht bei meinen Drogen. Und Dankbarkeit über mein Entkommen lebte so stark in meiner Seele, daß dieses Gefühl fast den Lichtschimmer der Hoffnung überstrahlte. Gemächlich schritt ich nach dem Frühstück über den Hof und trank mit Wonne die kühle Luft, als ich von neuem von diesen unbeschreiblichen Sensationen, die die Umwandlung ankündigten, gepackt wurde. Ich hatte gerade noch Zeit, den Schutz meines Arbeitszimmers zu erreichen, als mich auch schon wieder die Leidenschaften Hydes durchrasten und durchfröstelten. Um mich wieder zu mir selbst zu bringen, nahm ich diesmal eine doppelte Dosis, doch ach, sechs Stunden später, als ich dasaß und traurig in das Feuer blickte, kehrten die Qualen zurück, und die Droge mußte schon wieder zu Hilfe gerufen werden. Kurz, von jenem Tage an war ich nur noch unter großen Anstrengungen, wie bei körperlichen Übungen, unter der unmittelbaren stimulierenden Wirkung der Droge imstande, das Aussehen Jekylls zu bewahren. Zu jeder Stunde, am Tage und in der Nacht, faßte mich dieser warnende Schauer. Ob ich schlief, ob ich nur in Träumerei verfiel, immer erwachte ich als Hyde. Unter der Anspannung dieses ständig über mir schwebenden Fluches und durch die Schlaflosigkeit, zu der ich mich selbst verdammte, weit über die Grenzen dessen hinaus, was ich für menschenmöglich gehalten hatte,

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