Der Semmelkoenig
zum Fleischer geschickt und hoffe, dass er verstanden hat, dass ich mein Leberkäsebrötchen nur mit süßem Senf genießen kann.«
Steffi konnte nicht mehr an sich halten und prustete los.
»Naa, jetzt aber im Ernst, der is ned so verkehrt, der Hannes. Zum Beispiel hat der mir verzählt, dass er schon in Dänemark und in Amsterdam im Einsatz war. Der kann fei super Dänisch, und Holländisch sei auch ned so schwer, hat er gsagt.«
»Wow, da haben wir ja wohl ein kleines Genie abbekommen. Und wen ham wir dafür losgeschickt? Den Sedelmayer! Kann der denn irgendeine Fremdsprache?«
»Hm, loss mich a mal denken. Vielleicht Tirolerisch?«
Jetzt gab es wirklich kein Halten mehr. Ein lautes Lachen erschallte auf dem ruhigen Platz, sodass selbst der Tauber, der sich gerade aufdringlich gurrend seiner Angebeteten näherte, innehielt und misstrauisch zu der Bank hinübersah. Zum Fressen war da wohl nichts zu holen! Oder doch? Was wollte er jetzt noch gleich machen? Ein beleidigtes »Gurr« ertönte neben ihm. Ach ja! Aber bevor das Paar endlich zum romantischen Teil seines Daseins übergehen konnte, wurde es rüde von festen Männerschritten gestört, die über den Platz und damit auf sie zukamen.
»Das war jetzt etwas schwierig, Claudia«, Hannes Petersen hob in gespieltem Vorwurf die Tüte hoch. »Sie haben mir nicht gesagt, was Frikadelle in der Landessprache heißt.«
»Hallo, Herr Petersen«, grüßte Steffi, nachdem sie sich schnell die Lachtränen weggewischt hatte.
»Grüß Gott, Frau Vogler, tut mir Leid, aber wenn ich gewusst hätte, dass Sie hier sind, hätte ich Ihnen natürlich auch was mitgebracht.«
»Nicht nötig, ich hab schon«, sie stand auf. »Außerdem muss ich mal wieder rein. Arbeit ruft.«
Fast wäre sie auf das Taubenpärchen getreten, das erwartungsvoll – aber auch mit wenig Aussicht – auf die Leckereien aus der Tüte hoffte.
Die Tür der Station wurde aufgerissen und Kommissar Maus – im Gehen die Jacke anziehend – eilte heraus. Sofort sah er Steffi, nickte ihr zu und ging mit raschen Schritten nach links, wo sein Wagen stand. Steffi räusperte sich: »Äh, entschuldigt bitte, aber ich glaub, es gibt jetzt tatsächlich Arbeit!«
Der Motor wurde gestartet, das Auto fuhr an und bremste nach einigen Metern neben der Bank. Maus ließ das Fenster runter: »Los meine Herrschaften. Wir haben einen Einsatz. Eine Leiche beim Waldkindergarten!«
9
»Huja, huja!«
Oskar war außer Rand und Band. Seinen Stock schwingend, rannte er im Lager der Gnome herum.
»Du Anni, warum weint denn der Wolfi so?«, fragte Vroni, die Hand in Hand mit Hannah neben der Erzieherin stand und auf Wolfgang blickte. Dieser war neben der Holzhütte regelrecht zusammengebrochen, hatte das Gesicht in den Händen verborgen und schluchzte hemmungslos. Aber bevor Anni etwas zu dem sonderbaren Schauspiel sagen konnte, kam Hannahs Erklärung: »Der is halt traurig, weil’s Rotkäppchen tot ist!«
Kommissarin Claudia Hubschmied kam mit großen Schritten zu dem Grüppchen und sah Anni mit vorwurfsvollem Blick an.
»Bring amoi de Kinder furt. Des is’ nix für die.«
»Huja, huja.«
»Is scho recht. Kommt’s Kinder, wia war’s jetz mit na Brotzeit?«
»Gibt’s auch Schokolade?«, fragte Hannah voller Hoffnung.
»Schaun mer moi! Vielleicht mit na Mille.«
»Bäh, ich mag die Milch nicht. Da is immer so ’ne eklige Haut drauf!«
Diskutierend entfernte sich die kleine Gruppe und ging zu den restlichen Kindern, die unter dem Vordach der Hütte mit großen Augen den Erwachsenen bei der Arbeit zusahen. Claudia Hubschmied beugte sich zu Wolfgang und strich ihm sanft über den Rücken.
»Wolfi, jetzt kimm scho. Beruhig di doch!«
Der Mann zitterte am ganzen Körper, nahm aber die Hände von seinem tränenüberströmten Gesicht und wimmerte: »Claudi, ich hab sie gefunden! Verstehste? Ich hab sie umgedreht und hab sie erst gar nicht erkannt. Ihr Gesicht … es … es war so anders, so dick! Und dann hab ich ihre aufgerissenen Augen gesehen und sie war tot! Tot! Tot! Unsere kleine Heidi ist tot! Tot! Ich werde das wohl nie in meinem Leben vergessen können …«
Für Hannes Petersen war der ganze Ort ein Chaos. Überall waren Menschen, die seiner Meinung nach absolut keine Anwesenheitsberechtigung hatten. Es fiel ihm schwer, sich zu konzentrieren. Wie sollte man denn hier einen Überblick bekommen? Verwundert schaute er zu Maus, der – die Ruhe selbst – sein provisorisches Hauptquartier kurzerhand zwischen den
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