Der Serienmörder von Paris (German Edition)
sich hochgradig „schuldig“ gemacht. Nachdem er im Brief zugegeben hatte, ihn als sehr bedrohlich zu empfinden, nannte er den Grund, warum er unbedingt dessen Festsetzung wollte: Der Doktor „weiß alles“.
T rotz der Verurteilung wegen Mordes in 26 Fällen gelang es der Staatsanwaltschaft nicht, die von Petiot angewandte Tötungsmethode zufriedenstellend zu klären. Der Auffassung eines Großteils der Biografen nach hatte Petiot die Menschen getötet, indem er ihnen Strychnin appliziert hatte oder – wie es John V. Grombach für möglich hält – eine Luftblase. Anderen Mutmaßungen zufolge hatte Petiot eine aus der Ferne gesteuerte Injektionsnadel, Giftgas oder ein mit Gift versetztes Glas Wein benutzt, das der Fluchtwillige zum Toast auf die anstehende Reise in die Freiheit erhoben und zu sich genommen hatte. Nur wenige konnten Belege, geschweige denn stichhaltige Beweise für ihre Theorie vorweisen.
In diesem Buch habe ich durch die Erzählweise versucht, Fakten und Spekulationen zu trennen. Was nun folgt, sind reine Gedankenspiele, denn niemand kann mit Bestimmtheit sagen, was Petiot seinen Opfern angetan hat. Er hat niemals ein vollständiges Geständnis abgelegt, noch konnten Behörden Licht in das Mysterium bringen.
Es gibt einige gute Gründe für die Theorie des Mordes mit einer Injektionsnadel. Als Arzt konnte Petiot leicht an Gift gelangen und sich eine glaubhafte Rechtfertigung für den Kauf zurechtlegen. Wie Renée Guschinow und Jean Gouedo aussagten, habe Petiot Joachim Guschinow erklärt, dass er ihm vor der Südamerikareise unbedingt Schutzimpfungen verabreichen müsse. Ilse Gang hat davon gehört, dass auch die Familie Wolff Injektionen erhalten sollte, und auch Michel Cadoret de l’Epinguen hörte es mit eigenen Ohren, als der Arzt ihn auf die für die Reise wichtigen Gesundheitsreglements hinwies. Die Presse stürzte sich sofort auf diese Theorie und verbreitete sie schon vor dem Prozess, wodurch sich die Petiot-Biografen über 65 Jahre beeinflussen ließen.
Als ich mit der Recherche zu dem Buch begann, glaubte ich, dass Petiots Modus operandi Injektionen waren. Seitdem habe ich diese Position modifiziert. Mit der Entschuldigung, es handle sich um Schutzimpfungen für die Reise oder Injektionen als Voraussetzung zur Erlangung von Visa – oder möglicherweise auch einer anderen Entschuldigung –, spritzte Petiot eventuell eine Substanz, um den Willen des Opfers zu schwächen. Es war kein Gift, denn weder in der Rue Le Sueur, der Rue Caumartin noch in einem anderen seiner Häuser ließen sich hochtoxische Stoffe finden. Allerdings entdeckte man große Mengen Morphium und Peyote.
Diese speziellen Narkotika wirkten stark sedierend. Ein Opfer befand sich nach einer Verabreichung aber noch in der Lage, Petiots Befehlen zu folgen, egal, wie auch immer sie lauteten. Beide Substanzen ermöglichten den Personen, zusammenhängende Tätigkeiten auszuführen, wie zum Beispiel einen Text abzuschreiben oder ein Diktat zu erledigen. Die Opfer schrieben kurze Briefe an ihre Verwandten oder Bekannten, woraufhin Petiot versprach, die Schriftstücke bei ihrer sicheren Ankunft zu versenden. Die Verabreichung der Drogen würde die merkwürdigen Behauptungen in vielen der Briefe erklären (zum Beispiel von Braunberger, Guschinow oder Kneller), die davon berichten, dass der Autor oder ein Familienmitglied während der Reise erkrankte, womit sich auch Auffälligkeiten bezüglich der Handschrift erklären ließen. Nach der Niederschrift geleitete er die Opfer in die dreieckige Kammer. Der Einsatz von Morphium oder Peyote klärt eine weitere Ungereimtheit, die Beobachter des Falls stets zum Grübeln brachte: Wie konnte Petiot mit solch kräftigen Verbrechern verfahren, wie zum Beispiel „Adrien, dem Basken“? Sie waren ruhiggestellt und wehrlos, und darin liegt auch der Grund, warum die Ermittler niemals Beweise fanden, dass eine Person versucht hätte, aus dem beklemmenden Raum auszubrechen.
Die dreieckige Kammer – war es für Petiot tatsächlich notwendig, diese aufwendig renovieren zu lassen, wenn er geplant hat, seine Opfer einfach mit Injektionen zu töten? Ist es tatsächlich ein Zufall, dass der Arzt eine Firma beauftragte, die erst in jenem Jahr den Bau eines großen städtischen Schlachthofs in Limoges beendet hatte? Die baulichen Veränderungen, die Petiot vornehmen ließ, wirken tatsächlich recht merkwürdig. Petiot ließ einen kleinen, vom Haupthaus entfernt liegenden Raum bauen, mit dicken
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