Der Seuche entstiegen: Wie schwarz und wie tot war der Schwarze Tod? (German Edition)
das im sinkenden Staub immer klarer zeigende, Bild vor ihm. Er hatte beinahe Tränen in den Augen.
Elviras Müdigkeit war wie weggeblasen und sie musterte den Mann aus der Nähe.
Von seinen Gesichtskonturen war nicht mehr viel zu erkennen nach so vielen Jahren. Sie erkannte, dass er haarlos gewesen war. Nicht rasiert, sondern haarlos. Auf seinem Kopf waren nach dem Tode keine Haare nachgewachsen.
Hager und geschätzt etwa einen Meter und siebzig hoch. Plus minus ein Wenig.
Er passte genau in das Bild, das Elvira beim Lesen und Träumen von ihm gehabt hatte.
Sie sah ihn bildlich vor sich, wie er am Tisch saß und über eine lange Zeit hinweg, Zeile um Zeile um Zeile verfasste.
Aber wie der ganze Text, den er geschrieben hatte, Fragen aufwarf, so auch seine letzte Stätte.
Was sollte das hier?
Ein Tisch, Tintenfass, ein Stuhl und sonst nichts außer einem Tuch mit etwas darin?
Nicht einmal ein Eimer für die Notdurft?
Nur Kerzenreste die fast alle heruntergebrannt waren. Kein Essen, kein Wasser, kein Nichts?
So langsam dämmerte ihr, wo sie sich befanden.
Er hatte sich bewusst einmauern lassen. Natürlich.
Um sich der Welt zu entziehen, ohne den Freitod zu wählen, so wie er es formuliert hatte.
Manchmal hakt das Gehirn einfach zu sehr, um Offensichtliches zu erkennen.
Und um sich das Sterben noch etwas angenehmer zu gestalten, hatte er Pergamente und Tinte mit sich.
Ein stilvolles Ende, könnte man sagen. Wie passend.
Sie sah erneut das Bündel was in der rechten, hinteren Ecke lag und aus einem Teil der Kutte gerissen zu sein schien, denn der Leichnam hatte ein Loch in seiner Kleidung.
Ihre Augen wanderten immer wieder hin und her zwischen dem Tisch, dem Fässchen, Amadeus und dem Bündel.
Und wieder klickte es in ihrem Kopf. Der Schlafentzug forderte Tribut. Sie dachte nichtmehr klar.
In normalem Zustand wäre sie vermutlich als zweites auf das Bündel losgegangen, nachdem sie die Leiche identifiziert gehabt hätte, aber heute?
Es dauert alles etwas länger.
Aber sie musste sich wenigstens einen ersten Blick auf die Blätter gönnen.
Sie nahm das Bündel und öffnete es sehr zaghaft, wobei sich einige Stoffreste in ihren Händen auflösten, der Großteil des Bündels jedoch intakt blieb.
Sie nahm das erste Blatt vor sich und warf einen Blick darauf.
„Testamento ad veritatae – pars secunda testamenti“, begann Amadeus die Fortführung seines Werkes.
„Durch das Vermächtnis zur Wahrheit, des Vermächtnis zweiter Teil.“
Elvira war aufgeregt wie ein Kind.
Das musste jetzt all die Informationen enthalten. Es musste einfach.
„Nun, da du den Weg zu mir gefunden hast, magst du den Rest von Leonhardts Geschichte erfahren.“, war nur der erste Satz, den sie las und ihr schwindelte.
Es waren nur einige wenige, noch dazu recht kleine Blätter, die er da beschrieben hatte, und sie packte alles wieder in das sie umgebende Tuch ein, oder in das, was davon noch übrig war und nicht gleich zerfiel.
„Lass uns verschwinden, Gerd. Ich habe glaube ich etwas zu lesen vor mir.“, merkte sie an und sah Gerd mit einem Blick an, der eine Mischung aus Gier und Wahnsinn war.
Gerd Wiesner kannte diesen Blick nicht, und es beunruhigte ihn, aber dennoch akzeptierte er die Aufforderung ohne zu hinterfragen.
Ihm war nicht einmal wirklich bewusst, dass er es tat und seine Ambitionen den Raum zu untersuchen, einfach über Bord warf.
„Ja, das machen wir. Ich bringe dich zurück, Elvira.“
Beiden fiel nicht einmal auf, dass sie ihre vollen Vornamen für den Anderen verwendeten.
058
Ellie begann erneut mit dem Lesen. Nach Stunden und noch mehr Stunden ohne Schlaf und einem Lesemarathon, der nur von einem Spaziergang über den Friedhof von Blaubach und einer Wandöffnung unterbrochen wurde, las sie weiter.
„Testamento ad veritatae – pars secunda testamenti.
Nun, da du über den Weg des Fisches zu mir gefunden hast, magst du den Rest von Leonhardts Geschichte erfahren.
Am Tage, als mein Oheim 67 , der Freiherr von Hergendorf zurückkehrte und er gewahr wurde, dass alle seine Mannen, außer Leonhardt, gefallen waren, drängte sich ihm die Frage genau so auf, wie dem Herrn von Wanda.
Was war geschehen?
Er hörte die Geschichten aus vielerlei Mündern. Auch aus denen, der Recken aus Neuenberge.
Aber auch aus dem seines Kindes.
Und an dem weinseligen Abend schien es, als hätten sich die Freiherren untereinander die Köpfe heißgeredet, denn sie schmiedeten einen Plan gegen Leonhardt.
Er wurde noch in dieser Nacht
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