Der Sichelmoerder von Zons
hatte. Eine Welle von Mitleid für den geistig zurückgebliebenen Köppe durchfuhr ihn, doch dann dachte er an die Opfer. Er blickte zu Anna, die blass bei seinem Partner Klaus stand, welcher behutsam auf sie einredete. Nein, er durfte kein Mitleid mit diesem Jungen haben.
„Bringen Sie ihn aufs Polizeirevier und besorgen Sie mir einen Haftbefehl! Es besteht der dringende Tatverdacht mehrfacher Morde in Mittäterschaft oder zumindest der Beihilfe zu den Morden.“ Mit diesen Worten wandte Oliver sich von Köppe ab und ging zu Sebastian Kronberg hinüber. Jetzt, wo er so dicht vor ihm stand, war es unverkennbar, dass es sich um den jüngeren Bruder von Matthias Kronberg handelte.
„Dieses Ding hier trug er bei sich!“ Einer der Polizeibeamten hielt Oliver eine goldene Sichel hin. Sie wies merkliche Altersspuren auf. Mit der Hand fuhr er über die immer noch scharfe Klinge. Das ist die Waffe des Sichelmörders, ging es ihm durch den Sinn. Du hast zum letzten Mal getötet! Mit diesem Gedanken steckte Oliver die Sichel in eine Plastiktüte und warf das schaurige Mordinstrument in die Box für die Spurensicherung.
...
Eine Woche später läuteten die Glocken im Kloster Knechtsteden. Die Sonne schien hell am strahlend blauen Himmel und kein Wölkchen war weit und breit zu erkennen. Komplett in Schwarz gekleidet standen Anna, Emily und Oliver vor einem dunkelbraun lackierten Sarg aus dickem Eichenholz. Ein weißhaariger, stark gebeugter Mönch stand am anderen Ende des Grabes und sang eine gregorianische Strophe. Eine Melodie, die in diesem Kloster seit Urzeiten gesungen wurde. Der Sarg stand offen und gab den Blick auf ein weißes Tuch mit Gold verzierten Rändern frei, welches die sterblichen Überreste von Heinrich Mühlenberg bedeckte.
Andächtig legte Anna das goldene Mühlenamulett auf die Brust des toten Heinrich Mühlenberg. Er war schon vor über fünfhundert Jahren gestorben, doch bis zum heutigen Tag konnte sein letzter Wille nicht erfüllt werden. Der Mönch sprach ein Gebet und anschließend wurde der Sarg verschlossen. Anna dachte an die Ereignisse der letzten Woche und an den Bruder von Matthias Kronberg, dem sie fast zum Opfer gefallen wäre.
Oliver Bergmann hatte ihr erzählt, dass der Mönch Sebastian Kronberg sehr geständig gewesen war. Das Gericht würde jetzt seine Schuldfähigkeit prüfen müssen. Sebastian Kronberg hatte die goldene Sichel aus der geheimen Schatzkammer des Klosters Knechtsteden gestohlen. Da er als der jüngste Sohn der Kronberg-Familie keinen Anspruch auf das Erbe hatte, war er schon im frühen Kindesalter in das Kloster Knechtsteden eingetreten. Die Mönche hatten ihm viel über die Todsünden beigebracht und der eigentlich unsichere junge Kronberg, hatte sich zu einem strengen Fanatiker entwickelt. Ihm war jedes Mittel recht und er kannte keinerlei Reue.
Seine exzellenten Computerkenntnisse hatten es ihm ermöglicht - fast rund um die Uhr - am Leben der Außenwelt teilzunehmen. Obwohl er das Kloster nur selten verließ, kannte er sich in der Umgebung hervorragend aus. Der geistig zurückgebliebene Frederick Köppe, den er mit seiner unglaublichen Intelligenz zu seinem gefügigen Helfer gemacht hatte, war ein williges Werkzeug in einer Welt, die er hauptsächlich aus dem Internet kannte. Das Trojaner-Programm, mit welchem er sich Zugang zu Jimmy Henders Facebook-Account verschafft hatte, war perfekt programmiert und in der Lage, die ausgesuchten Opfer monatelang vor der Entführung auszuspionieren. Auf Jimmy Henders war Sebastian Kronberg schon vor Jahren aufmerksam geworden. Kurz nach der Übernahme der Firma von seinem Vater ließ sich sein Bruder Matthias Kronberg auf ein hochspekulatives Bankgeschäft ein, welches die Firma fast in den Ruin getrieben hätte. Konzipiert wurde dieses komplexe Bankprodukt von Jimmy Henders, der von diesem Tag an auf der Sünderliste von Sebastian Kronberg stand. Das er nicht schon früher zum Opfer wurde, hatte er lediglich dem Umstand zu verdanken, dass er über unglaublich viele Facebook-Kontakte aus dem Bankmilieu verfügte. Für Sebastian war dies der perfekte Zugang zu einem Pool voller Sünder, der schnellstmöglich im Namen des Herrn bereinigt werden musste. Mehr als zehn Bankangestellte hatte Sebastian Kronberg mittlerweile auf dem Gewissen.
Die Taktik war dabei immer dieselbe. Mit gefälschten SMS lockte er seine Opfer an unbelebte und einsame Orte, wo er gemeinsam mit seinem Helfer Frederick Köppe darauf
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