Der Sichelmoerder von Zons
vorwärts. Der Schwindel war immer noch sehr stark und Anna hatte das Gefühl, jeden Moment wieder ohnmächtig zu werden. Sie kämpfte mit ihrem Bewusstsein und näherte sich Schritt für Schritt der hockenden Gestalt. Schließlich erkannte sie ihn. Es war Jimmy.
„Jimmy, wach auf! Kannst du mich hören?“
Anna stürzte auf ihn zu und rüttelte an seinem Oberkörper. Jimmy fiel schlaff auf die Seite. Anna hielt inne. Er stank fürchterlich. Sie drehte seinen Kopf zu sich herum und musste sich auf der Stelle übergeben. Jimmy war tot. Sein schwarzer blutverkrusteter Mund war zu einem dicken Strich verklebt und die Augen waren grauenvoll nach oben verdreht. Oh mein Gott! Sie musste hier unbedingt raus! Von Panik ergriffen, schleppte sie sich auf den grün beleuchteten Notausgang zu und stieß verzweifelt gegen die verschlossene Tür. Nichts. Sie ließ sich trotz aller Gewalt, die sie aufbrachte, nicht öffnen. Sie blickte zu den Fenstern hinüber. Sie waren vergittert. Vielleicht konnte sie eine Schwachstelle finden. Gerade in dem Moment, als sie loslaufen wollte, hörte sie Schritte. Sie kamen immer näher.
Was sollte sie jetzt tun? Einem plötzlichen Instinkt folgend, lief sie zurück zu der Stelle, an der sie aufgewacht war und ließ sich gegen die Wand sinken. Alles sollte so aussehen wie am Anfang. Sie schloss die Augen und stellte sich ohnmächtig. Nur den alten rostigen Nagel, welchen sie am Notausgang auf dem Boden gefunden hatte, hielt sie fest - unter ihrem Oberschenkel verborgen - in ihrer Hand.
...
„Lass uns zurückfahren, Oliver! Wir können hier nichts mehr ausrichten. Vielleicht entdecken wir im Polizeirevier noch einen Hinweis. Wir gehen die gesamten Akten ein weiteres Mal durch.“ Tröstend legte Klaus eine Hand auf Olivers Schulter. Dieser schüttelte heftig den Kopf. „Nein, das kann ich nicht. Ich weiß, dass sie irgendwo hier draußen ist und ich kann spüren, dass sie noch lebt. Wir dürfen jetzt noch nicht aufgeben!“
Das Funkgerät im Wagen knirschte. „Wir nehmen die Verfolgung auf. Verdächtiger verlässt das Zielobjekt.“
Oliver sah Klaus an. An den defekten Drahtzaun des Materialfriedhofs, den sie seit Tagen beobachten ließen, hatte er gar nicht mehr gedacht. Warum trieb sich Frederick Köppe ausgerechnet heute Nacht auf dem Gelände des Chemieparks herum? Wenn es überhaupt Frederick Köppe war.
„Bitte um Identität des Verdächtigen“, rief Oliver heiser in sein Funkgerät.
„Es handelt sich eindeutig um die Person Frederick Köppe. Wir haben gerade sein Fahrzeug identifiziert. Der Wagen ist auf den Namen Fritz Kallenbach zugelassen.“
„Geben Sie mir die Richtung durch. Wir nehmen ebenfalls die Verfolgung auf und fordern Sie Verstärkung an. Es könnte sich um eine Entführung handeln!“
Oliver bremste und wendete den Dienstwagen mit quietschenden Reifen. Er war sich sicher, dass Frederick Köppe sie auf direktem Weg zu Jimmy Henders führen würde und damit auch zu Anna. Hoffentlich kamen sie nicht zu spät!
Nach fünf Minuten hatten Oliver und Klaus Sichtkontakt zum Wagen von Frederick Köppe. Sie folgten ihm mit ungefähr fünfzig Metern Abstand. Besonders eilig schien der Fahrer es allerdings nicht zu haben. Auf der Landstraße B9 von Neuss nach Zons konnte man größtenteils 70 km/h fahren, doch Frederick Köppe schlich mit 50 Stundenkilometern daher. An einer Tankstelle bog er ab und hielt an.
„Was macht der Kerl da? Die Tankstelle hat seit Stunden geschlossen. Es ist mitten in der Nacht“, Klaus schüttelte verständnislos den Kopf. Sie fuhren an der Tankstelle vorbei, um dem Verfolgten nicht aufzufallen. Der Kopf von Frederick Köppe leuchtete im Wagen gespenstig auf.
„Sieh mal, Oliver. Er telefoniert!“
Tatsächlich. Oliver konnte erkennen, wie das Licht des Handydisplays eine Gesichtshälfte von Köppe erstrahlen ließ. Sie bogen in eine kleine Einfahrt ab und warteten. Zehn Minuten später war Köppes Wagen immer noch nicht an ihnen vorbeigefahren. Wo steckte er nur? Langsam verließ Oliver die Hoffnung. War er sich eben noch ganz sicher gewesen, dass Köppe direkt auf dem Weg zu Jimmy Henders war, so sahen die Umstände doch ganz und gar nicht danach aus. Köppe hatte überhaupt keine Eile.
Endlich sah er in einiger Entfernung Scheinwerfer aufleuchten. Das musste er sein. Sie warteten einen Moment und nahmen dann die Verfolgung wieder auf.
...
Die Schritte kamen immer näher. Anna konnte kaum noch ein
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