Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der siebente Sohn

Der siebente Sohn

Titel: Der siebente Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
Vom Netzwerk:
gekannt, die die Leute um sie herum verborgen hielten. Sie sah jene Ereignisse ihrer Vergangenheit, die zu vergessen sie sich am meisten wünschten, und sie sah auch jene Geschehnisse ihrer Zukunft, vor denen sie sich am meisten fürchteten.
    Deshalb pflegte sie hierher ins Bachhaus zu kommen. Hier brauchte sie diese Dinge nicht zu sehen. Nicht einmal die Dame in Papas Erinnerung. Hier gab es nichts außer der feuchten, kühlen Luft, um das Feuer zu ersticken und das Licht zu dämpfen, damit sie – nur für ein paar Minuten am Tag – ein kleines, fünfjähriges Mädchen mit einer Strohpuppe namens Bugy sein konnte und nicht an die Geheimnisse der Erwachsenen denken mußte.
    Ich bin nicht böse, sagte sie sich. Wieder und wieder, doch diesmal funktionierte es nicht, weil sie wußte, daß sie es doch war.
    Also gut, sagte sie sich, ich bin böse. Aber ich werde nicht mehr böse sein. Ich werde die Wahrheit sagen, wie Papa es will, oder ich sage überhaupt nichts.
    Selbst mit ihren fünf Jahren erkannte Peggy, daß sie, wenn sie diesen Schwur halten sollte, sich besser stehen würde, überhaupt nichts zu sagen.
    Also sagte sie nichts, nicht einmal zu sich selbst, lag einfach nur dort auf einem moosbewachsenen, feuchten Tisch, Bugy mit der Faust so fest umklammernd, daß es zum Ersticken gereicht hätte.
    Ching ching ching.
    Kleinpeggy wachte auf und wurde eine kurzen Augenblick lang ganz zornig.
    Ching ching ching.
    Wurde zornig, weil niemand zu ihr gesagt hatte: Kleinpeggy, du hast doch nichts dagegen, wenn wir diesen jungen Schmied dazu überreden, sich hier niederzulassen, oder?
    Überhaupt nichts, Papa, hätte sie gesagt, wenn man sie gefragt hätte. Sie wußte, was es bedeutete, eine Schmiede zu haben. Das eigene Dorf würde gedeihen, Leute von anderen Orten kämen herbei, und dann würde das große Haus ihres Vaters ein Waldgasthof werden, und wo es einen Gasthof gab, dort würden alle Wege eine kleine Umleitung machen, um dort vorbeizukommen – Kleinpeggy wußte all das, so sicher wie die Kinder von Farmern das Leben der Farm kannten. Ein Gasthof neben einer Schmiede war eine Herberge, die florieren würde. Also hätte sie gesagt: Klar doch, laßt ihn bleiben, teilt ihm Land zu, ziegelt seinen Kamin, beköstigt ihn umsonst, laßt ihn mein Bett haben, damit ich mit Cousin Peter das Bett teilen kann, der ständig versucht, mir unter mein Nachthemd zu schielen, all das werde ich dulden – solange ihr ihn nicht neben das Bachhaus setzt, damit ich immer dann, wenn ich mit dem Wasser ein bißchen alleinsein möchte, nicht dieses Poltern, Donnern, Zischen, Brüllen hören muß und ein Feuer riechen, das zum Himmel emporlodert, um ihn schwarz zu färben.
    Natürlich war der Strom der beste Ort, um eine Schmiede zu errichten. Bis auf das Wasser aber hätte man sie überall sonst bauen können. Das Eisen wurde mit dem Schifferwagen direkt aus New Netherland gebracht, und die Holzkohle – na, es gab jede Menge Farmer, die bereit waren, Holzkohle gegen einen guten Hufbeschlag einzutauschen. Aber Wasser, das war etwas, das der Schmied brauchte und das keiner ihm bringen würde, daher schickte man ihn natürlich hügelabwärts neben das Bachhaus, wo sein Chingchingching sie aufwecken und das Feuer in sie zurücktreiben konnte, am einzigen Ort, an dem sie gelernt hatte, es herunterbrennen zu lassen, bis es beinahe zu kalter, feuchter Asche geworden war.
    Donnergrollen.
    Im nächsten Augenblick war sie schon an der Tür. Sie mußte den Blitz sehen und erwischte gerade noch den letzten Funken des Lichts, wußte aber, daß es mehr geben würde. Es war doch bestimmt noch nicht spät, oder hatte sie etwa den ganzen Tag geschlafen? Bei all diesen schwarzbäuchigen Wolken konnte sie das nicht feststellen – möglicherweise war es auch schon das Ende der Abenddämmerung. Die Luft prickelte von Blitzen, die nur darauf warteten, loszuschießen. Sie kannte dieses Gefühl, wußte, daß es bedeutete, daß der Blitz in der Nähe einschlagen würde.
    Sie sah hinunter, um festzustellen, ob der Stall des Hufschmieds noch immer voller Pferde war. In der Tat, er hatte seine Arbeit noch nicht beendet; der Weg würde sich in Schlamm verwandeln, so daß der Farmer mit seinen beiden Söhnen auf West Fork hier festsaß. Nicht daran zu denken, daß sie sich in diesem Wetter auf den Heimweg machen würden, da der Blitz drohte, im Wald einen Brand zu entfachen oder einen Baum auf sie stürzen zu lassen oder ihnen einfach nur ordentlich eins

Weitere Kostenlose Bücher