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Der siebente Sohn

Der siebente Sohn

Titel: Der siebente Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
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völlig verdrehen. Thrower kann dieselben Worte nehmen, die ich gesagt habe, und sie so verdrehen, bis sie das genaue Gegenteil dessen bedeuten, was ich sagte.«
    »Sieh es einmal auf andere Weise, Alvin. Wenn du einen Korb herstellst, bleibt es immer nur ein einfacher Korb. Aber wenn du Worte sagst, dann kann man die immer und immer wieder wiederholen, auch tausend Meilen von dem Ort entfernt, wo du sie zum ersten Mal gesagt hast. Worte können die Herzen der Menschen erreichen, aber Dinge sind nie mehr als das, was sie eben sind.«
    Alvin hörte dem Geschichtentauscher aufmerksam zu und hatte plötzlich ein seltsames Bild vor Augen: Worte, so unsichtbar wie Luft, die aus Geschichtentauschers Mund kamen und sich von einer Person zur anderen ausbreiteten. Sie wurden immer größer, blieben aber die ganze Zeit unsichtbar.
    Dann veränderte sich die Vision plötzlich. Er sah die Worte aus dem Mund des Predigers hervortreten, wie ein Zittern in der Luft, sah sie sich ausbreiten, alles durchdringen – und plötzlich wurde daraus ein Alptraum, der entsetzliche Traum, der ihn heimsuchte, im Wachen oder im Schlafen, und der sein Herz zerdrückte, daß er am liebsten gestorben wäre. Die Welt erfüllte sich mit einem unsichtbaren, bebenden Nichts, das alles durchdrang und auseinanderriß. Alvin konnte es sehen, wie es auf ihn zugerollt kam, wie ein riesiger Ball, der immer größer wurde…
    Geschichtentauscher schüttelte ihn, und Alvin öffnete die Augen. Die bebende Luft zog sich allmählich zurück, doch Alvin spürte sie immer noch, ein wenig entfernt, so wachsam wie ein Wiesel, bereit, sofort davonzuflitzen, wenn er den Kopf umwandte.
    »Was ist los mit dir, Junge?« fragte Geschichtentauscher. Er sah verängstigt aus.
    »Nichts«, sagte Alvin.
    »Erzähl mir nicht, daß es nichts ist«, widersprach Geschichtentauscher. »Ich habe gesehen, wie dich plötzlich eine Angst überfiel, als würdest du eine schreckliche Vision schauen.«
    »Das war keine Vision«, sagte Alvin. »Ich hatte einmal eine Vision, daher weiß ich das.«
    »Ach ja?« fragte Geschichtentauscher. »Was war das denn für eine Vision?«
    »Ein leuchtender Mann«, erwiderte Alvin. »Ich habe noch nie jemandem davon erzählt, und ich möchte auch jetzt nicht damit anfangen.«
    Geschichtentauscher drang nicht in ihn ein. »Und das, was du jetzt gesehen hast, wenn das keine Vision war – nun, was war es dann?«
    »Es war nichts.«
    Das war nicht gelogen, aber er wußte auch, daß es keine befriedigende Antwort war. Er wollte allerdings auch nicht antworten. Wann immer er Leuten davon erzählte, machten sie sich nur über ihn lustig, weil er sich wegen eines Nichts anstellte wie ein kleines Kind.
    Doch Geschichtentauscher ließ sich mit einer solchen Antwort nicht abspeisen. »Al Junior, ich habe mich schon mein ganzes Leben nach einer wahren Vision gesehnt, und du hast eine geschaut, hier am hellichten Tage. Du mußt etwas Entsetzliches gesehen haben, denn dir stockte der Atem, also erzähl mir jetzt, was es war.«
    »Ich habe es Euch erzählt! Es war nichts!«
    Und dann, ruhiger: »Es ist nichts, aber ich kann es sehen. Dann wird die Luft richtig zittrig, wo immer sie hingeht.«
    »Es ist nichts, aber nicht unsichtbar?«
    »Es dringt in alles ein, in die kleinsten Ritzen und reißt alles auseinander. Es zittert und zittert, bis von den Dingen nichts mehr übrig ist als Staub, und dann durchzittert es den Staub, und ich versuche, es abzuhalten, aber es wird größer und größer, es überrollt alles andere, bis es den ganzen Himmel und die ganze Erde ausfüllt.«
    Alvin konnte sich nicht mehr beherrschen. Er zitterte vor Kälte, obwohl er so dick eingemummt war wie ein Bär.
    »Wie oft hast du das schon gesehen?«
    »Seit ich mich erinnern kann. Es überfällt mich dann und wann. Meistens denke ich einfach an andere Dinge, dann bleibt es zurück.«
    »Wo?«
    »Irgendwo weit entfernt.«
    Alvin kniete sich nieder, und dann setzte er sich erschöpft, setzte sich mit seiner Sonntagshose mitten ins feuchte Gras, doch er bemerkte es kaum. »Als Ihr davon gesprochen habt, wie die Worte sich immer und immer weiter ausdehnen, habe ich es wieder gesehen.«
    »Ein Traum, der immer wiederkommt, versucht uns die Wahrheit mitzuteilen«, meinte Geschichtentauscher.
    Der alte Mann war so eifrig, was diese Sache anging, daß Alvin sich fragte, ob er wirklich begriff, wie grauenerregend sie war. »Das ist nicht eine von Euren Geschichten, Geschichtentauscher.«
    »Es wird

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