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Der siebente Sohn

Der siebente Sohn

Titel: Der siebente Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
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Zehenspitzen durchs Haus schleichen zu müssen, weil Sabbat war und es am Sabbat keinen Lärm geben durfte. Am schlimmsten aber haßte er den Gedanken, vorne auf einer harten Bank sitzen zu müssen, wo Reverend Thrower ihn anschaute, während er über die Höllenfeuer predigte, die jene Gottlosen erwarteten, die die wahre Religion verachteten und ihr Vertrauen auf das schwache Verständnis des Menschen setzten.
    Dabei verabscheute Alvin die Religion gar nicht wirklich, sondern nur Reverend Thrower; vor allem wegen der vielen Stunden in der Schule, nun, da die Erntezeit vorüber war. Alvin Junior war ein guter Leser, und beim Rechnen bekam er auch meistens die richtigen Ergebnisse. Doch das genügte dem blöden Thrower nicht. Er mußte auch immer gleich Religion dazu unterrichten. Die anderen Kinder – die Schweden und die Knickerbocker von flußaufwärts, die Schotten und die Englischen von flußabwärts bekamen immer nur Prügel, wenn sie frech waren oder dreimal hintereinander eine falsche Antwort gaben. Alvin Junior jedoch bekam von Thrower bei jeder Gelegenheit den Rohrstock, so schien es ihm, und dabei ging es auch nie um das Bücherwissen, sondern immer nur um Religion.
    Natürlich war es da keine große Hilfe, daß Alvin die Bibel immer zu den unpassendsten Zeiten komisch fand. Das hatte Measure gesagt, damals, als Alvin aus der Schule davongelaufen und sich in Davids Haus versteckt hatte, bis Measure ihn endlich am Abend aufgespürt hatte. »Wenn du bloß nicht immer lachen würdest, wenn er aus der Bibel vorliest, würdest du auch nicht so oft gehauen werden.«
    Aber es war doch komisch! Wenn Jonatan all diese Pfeile gen Himmel schoß und sie ihr Ziel verfehlten. Wenn Jerobeam nicht genügend Pfeile aus seinem Fenster verschoß. Wenn der Pharao immer neue Raffiniertheiten erfand, um die Israeliten am Fortgehen zu hindern. Wenn Samson so blöd war, daß er Delilah sein Geheimnis anvertraute, noch nachdem sie ihn bereits zweimal verraten hatte. »Wie soll ich das denn verhindern, daß ich lachen muß?«
    »Denk einfach an die Schwielen an deinem Hintern«, meinte Measure. »Das sollte dir das Grinsen eigentlich aus dem Gesicht vertreiben.«
    »Aber das fällt mir doch immer erst ein, nachdem ich bereits gelacht habe.«
    »Dann wirst du wahrscheinlich so lange keinen Stuhl brauchen, bis du fünfzehn geworden bist«, sagte Measure. »Denn Mama nimmt dich niemals von dieser Schule, und Thrower wird dich niemals in Frieden lassen, und du kannst dich nicht auf alle Zeiten in Davids Haus verstecken.«
    »Warum nicht?«
    »Weil, wenn du dich vor deinem Feind versteckst, es dasselbe ist, als würdest du ihn gewinnen lassen.«
    Measure wollte ihn also nicht in seinem Versteck lassen, und er mußte zurückkehren – um auch noch von Pa eine Tracht Prügel zu bekommen, weil er allen einen Schrecken eingejagt hatte, indem er davongelaufen war und sich so lange versteckt hielt. Trotzdem hatte Measure ihm irgendwie geholfen. Es war ein Trost zu wissen, daß auch ein anderer bereit war, auszusprechen, daß Thrower sein Feind war. Alle anderen erzählten immer nur, wie gottesfürchtig und gebildet Thrower war und wie nett es doch von ihm sei, die Kinder am Born seiner Weisheit zu tränken, daß Alvin am liebsten gekotzt hätte.
    Obwohl Alvin nun seine Miene in der Schule meistens beherrschte und weniger oft verprügelt wurde, war der Sonntag der scheußlichste Kampf von allen, weil er dann immer auf dieser harten Bank saß und Thrower zuhören mußte, wobei er die Hälfte der Zeit am liebsten lauthals losgelacht hätte. Während er die andere Hälfte ihr am liebsten aufgestanden wäre, um zu rufen: »Das ist so ziemlich das Dämlichste, was ich von einem Erwachsenen jemals gehört habe!«
    Er hatte sogar das Gefühl, daß Pa ihn nicht sonderlich hart verhauen würde, wenn er Thrower so etwas sagte, da Pa noch nie viel von dem Mann gehalten hatte. Aber Mama – die würde ihm niemals vergeben, wenn er im Hause des Herrn Gott lästerte.
    Der Sonntagmorgen, entschied er, soll den Sündern einen Vorgeschmack auf den ersten Tag der Ewigkeit in der Hölle geben.
    Wahrscheinlich würde Mama es nicht einmal Geschichtentauscher erlauben, heute auch nur die allerwinzigste Geschichte zu erzählen, es sei denn, sie stammte aus der Bibel. Und da Geschichtentauscher anscheinend niemals Geschichten aus der Bibel erzählte, schätze Alvin Junior, daß der heutige Tag nichts Gutes bringen würde.
    Mamas Stimme tönte die Treppe hinauf.

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