Der siebte Kreis des Wissens - Covenant 02
ihre Selbstbeherrschung wieder. Sie unterband die Kraftausbrüche des Stabes und rief hinüber zu den Bluthütern. Doch Bannors Reflexe waren ohnehin schneller. Während das Gestein noch nachzitterte, überwand er den Abstand zu Covenant mit leichtfüßiger Flinkheit und packte Covenants Arm. Im ersten Moment war Covenant zu benommen für irgend etwas; schlaff hing er in Bannors Griff. Die Gewalttätigkeit des Hoch-Lords durchflutete ihn ganz und gar, verdrängte alles andere aus seinem Bewußtsein. Aber dann bemerkte er die Schmerzhaftigkeit von Bannors Zugriff um seinen Arm. Er fühlte irgend etwas Prophetisches in der uralten Stärke, mit der Bannor ihn gepackt und am Leben hielt. Die Faust des Bluthüters war wie aus Eisen, härter als der Stein des Spaltfelsens. »Geliebter!« hörte er Elena stöhnen. »Habe ich dir ein Leid zugefügt?«
»Warte mal!« murmelte er unterdessen schon. »Halt mal! Ich hab's.« Seine Lider waren geschlossen. Er öffnete sie und bemerkte, wie Bannor dafür sorgte, daß er aufrecht blieb. Elena stand vor ihm; sie schlang die Arme um ihn und verbarg ihr Gesicht an seiner Schulter. »Ich hab's«, sagte er. Sie achtete nicht darauf und flüsterte weitere Äußerungen des Bedauerns an seine Brust. »Vergiß es«, sagte er barsch, um dem ein Ende zu machen. »Mir muß allmählich der Verstand abhanden kommen. Das hätte ich mir schon vor Tagen zusammenreimen müssen.«
Endlich verstand sie ihn. Sie ließ ihn los und trat zurück. Ihr verwildertes Gesicht straffte sich ansatzweise wieder. Sie atmete durch zusammengebissene Zähne, strich sich mit einer Hand durchs Haar. Langsam begann sie wieder einem Lord zu ähneln. »Was hast du entdeckt?« erkundigte sie sich mit unsteter, aber deutlicher Stimme.
Bannor gab Covenant ebenfalls frei, und der Zweifler stand wacklig wieder auf eigenen Beinen. Seine Füße mißtrauten dem Stein, aber er versteifte seine Knie und versuchte, ihren Argwohn zu ignorieren. Das Problem stak in seinem Hirn; all seine vorgefaßten Meinungen hatten sich auf einmal verlagert. Er wollte schnell sprechen, um Elenas Quälerei zu beenden. Aber er hatte bisher zu viele Hinweise übersehen. Nun mußte er sich seiner Eingebung langsam und umsichtig nähern, um alle Fäden zusammenziehen zu können. Er versuchte, seinen Kopf zu klären, indem er ihn schüttelte. Elena zuckte zusammen, als habe er sie an ihren Wutausbruch erinnert. Er vollführte eine beruhigende Geste und kehrte sich den zwei Bluthütern zu. Mit eindringlicher Aufmerksamkeit erforschte er die unzugängliche Ausdruckslosigkeit ihrer Gesichter, suchte darin nach irgendeiner Andeutung, irgendeinem Anflug von Zweideutigkeit, höherer Zweckgebundenheit, um seinen Einfall zu untermauern. Aber ihre uralten, schlaflosen Augen schienen nichts zu verbergen, nichts zu enthüllen. Beim Gedanken, er könne sich getäuscht haben, verspürte er eine flüchtige Aufwallung von Panik, aber er erstickte sie und wandte sich so gefaßt und ruhig, wie er's fertigbrachte, an seinen Beschützer. »Bannor, wie alt bist du?«
»Wir sind die Bluthüter«, lautete Bannors Antwort. »Wir haben unseren Eid am Anbeginn von Kevins Hoch-Lordschaft geschworen.«
»Vor der Schändung?«
»Ja, Ur-Lord.«
»Bevor Kevin herausfand, daß Foul in Wirklichkeit ein Feind war?«
»Ja.«
»Und du persönlich, Bannor? Wie alt bist du selbst?«
»Ich befand mich unter den ersten Haruchai , die das Land betraten. Ich zählte zu den ersten, die den Eid ablegten.«
»Das war vor Jahrhunderten.« Covenant schwieg für einen Moment. »Wie gut erinnerst du dich an Kevin?«
»Sei behutsam«, warnte ihn Elena. »Du darfst Bluthüter nicht verspotten.«
Bannor gab nicht zu erkennen, ob sie sich mit Grund sorgte. »Wir vergessen nicht«, gab er dem Zweifler die gewohnte Auskunft.
»Richtig, ja.« Covenant seufzte. »So ein Leben muß die Hölle sein.« Er schaute für einige Sekunden den Berg an, als könne er von ihm Mut beziehen. »Du hast Kevin gekannt«, sprach er dann mit plötzlicher Schroffheit weiter, »als er die Kreise des Wissens schuf. Du hast ihn gekannt und erinnerst dich. Du warst dabei, als er den Ersten Kreis den Riesen übergab. Du warst bei ihm, als er den Zweiten Kreis in diesen ekligen Katakomben unterm Donnerberg begrub. Wie oft warst du hier mit ihm, Bannor?«
Der Bluthüter hob andeutungsweise die Brauen. »Hoch-Lord Kevin hat keine Reisen zum Spaltfelsen oder dem Melenkurion Himmelswehr unternommen.«
Diese Antwort brachte
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