Der siebte Kreis des Wissens - Covenant 02
Ausgeburt eines Alptraums –, standen Menschen, die er kannte. Lord Mhoram hielt sich in seiner von Gefechten besudelten Robe hochauf. Er hatte seinen Stab in der Linken, und sein hageres Gesicht war von Visionen ausgelaugt. Hinter ihm befanden sich Lord Callindrill und zwei Bluthüter. In Callindrills sanften Augen hatte sich die Düsternis des Versagens eingenistet. In seiner Nähe sah man Quaan und Amorine. Und an Mhorams rechter Seite, von Mhorams Rechter gestützt, stand Hile Troy. Die Schutzbrille und den Stirnreif hatte er verloren. Die augenlose Haut seines Gesichts war knotig verkrampft, als bemühe er sich, zu sehen; er hielt den Kopf schräg, drehte ihn von der einen zur anderen Seite, um sein Gehör zu orientieren. Intuitiv begriff Covenant, daß Troy sein vom Lande geschenktes Sehvermögen wieder verloren hatte. In der Gesellschaft dieser Personen befand sich ein Mann, den Covenant nicht kannte. Er war der Sänger – ein hochgewachsener, weißhaariger Mann mit glanzvoll silbernen Augen, der vor sich hin summte, als betaue er das Erdreich mit Melodien. Ohne längeres Nachdenken erriet Covenant, daß das Caerroil Wildholz war, der Forsthüter der Würgerkluft.
Irgend etwas im Blick des Sängers – ein sehr ernster, aber respektvoller Ausdruck – brachte den Zweifler wieder in den Vollbesitz seiner Sinne. Er erkannte die Furcht in den Mienen der Menschen, die ihm entgegenstarrten. Er stieß sich von Bannor ab, lud sich das ganze Gewicht seiner Bürden allein auf die Schultern. Für einen Moment stellte er sich der Bestürzung vor ihm mit so eindringlichem Blick, daß seine Stirn schmerzhaft pochte. Aber da, als er gerade etwas sagen wollte, rüttelte eine wuchtige Detonation aus dem Spaltfelsen ihn durch, brachte ihn ums Gleichgewicht. Als er hastig nach Bannor griff, entblößte er das Schandmal seines Rings.
»Sie ist verloren«, stöhnte er, als er so aufrecht wie möglich vor Mhoram und Troy trat. »Ich habe sie verloren.« Sein Gesicht zuckte, und die Wörter kamen gebrochen über seine Lippen, als seien sie Trümmer seines Herzens. Seine Worte schienen die Musik zu dämpfen, das dumpfe Toben, das vom Spaltfelsen herüberdrang, dagegen zu verstärken. Er empfand jedes Krachen des fernen Ringens wie einen inneren Hieb. Aber er nahm die Leblosigkeit unter seinen Füßen immer deutlicher wahr. Und der aufgeknüpfte Riese hing mit einer Aufdringlichkeit in seinem Blickfeld, die es nicht erlaubte, ihn zu ignorieren. Allmählich begriff er, daß er vor Menschen stand, die selber schwere Prüfungen durchgemacht hatten.
Er zuckte zurück, bewahrte jedoch Halt, als ihr Stimmengewirr begann, Troy mit erstickten Lauten »Verloren?« rief. »Verloren?«
»Was hat sich zugetragen?« fragte Mhoram in aufgewühltem Ton.
Unterm nächtlichen Himmel des leblosen Hügels – erhellt von Sternenschein, dem zweifachen Glänzen von Caerroil Wildholz' Augen und dem feurigen Leuchten des Orkrest – stand Covenant auf Bannor gestützt wie ein Krüppel, der gegen sich selbst auszusagen hatte, berichtete in zerstückelten Sätzen von Hoch-Lord Elenas Schicksal. Er erwähnte den Fokus ihres Blicks nicht, ihre verzehrende Leidenschaft. Aber alles andere erzählte er – von seinem Handel, Amoks Ende, der Beschwörung Kevin Landschmeißers, Elenas einsames Verhängnis. Als er fertig war, antwortete ihm ein Schweigen des Entsetzens, das in seinen Ohren wie eine Anklage klang. »Ich bedaure das alles sehr«, beschloß er seine Darstellung, um die Stille zu verkürzen. Dann zwang er sich dazu, vom bitteren Trank seiner persönlichen Nichtsnutzigkeit zu trinken. »Ich habe sie geliebt. Ich hätte sie gerettet, wär's möglich gewesen.«
»Sie geliebt?« murmelte Troy. »Allein?« Seine Stimme war zu sehr aus den Fugen geraten, um das Maß seiner Pein ausdrücken zu können. Lord Mhoram bedeckte plötzlich seine Augen, senkte den Kopf. Quaan, Amorine und Callindrill scharten sich zusammen, als könnte keiner von ihnen für sich verkraften, was sie gehört hatten.
Ein neuer Donnerschlag aus der Richtung des Spaltfelsens erschütterte die Luft. Ruckartig hob Mhoram wieder den Kopf und sah Covenant an; Tränen rannen ihm über die Wangen. »Es ist, wie ich gesagt habe«, flüsterte er gequält. »Die einzige Gefahr in Träumen ist der Wahnsinn.« Erneut zuckte Covenants Miene. Doch er wußte nichts mehr zu sagen; er konnte nicht einmal seine Zustimmung äußern.
Bannor hörte anscheinend aber etwas anderes aus dem Tonfall des
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