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Der siebte Schrein

Der siebte Schrein

Titel: Der siebte Schrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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du, alle reden hier von nichts anderem.«
    Tenna hatte es vermutet und hoffte, sie würde es ihrer eigenen Station berichten können, bevor sie Gerüchte hörten, die immer stark übertrieben waren.
    »Hmmm. Damit hätte ich rechnen müssen«, sagte sie. »Ich werde zwei Paar Sommerschuhe aus soviel Leder machen können und immer an dich denken, wenn ich sie trage.« Sie sah lächelnd zu ihm auf.
    »Das ist nur recht und billig.« Er war offenbar zufrieden mit diesem Wortwechsel, denn er legte wieder die Arme um sie und zog sie ein wenig näher an sich. »Für eine andere Haut schienst du dich nicht so sehr zu interessieren. Also bin ich leichter davongekommen, als ich mir hätte träumen lassen. Ich wußte nicht, daß Läufer ihre Fußbekleidung selbst machen.«
    »Das tun wir allerdings, und es ist viel besser, sie für sich selbst zu machen. Dann kann man nur sich allein die Schuld geben, wenn man Blasen bekommt.«
    »Blasen? Die müssen schlimm sein für Läufer.«
    »Fast so schlimm wie Stichlingsbuschdornen.«
    Er stöhnte. »Werde ich das je wiedergutmachen können?«
    »Du kannst es versuchen.« Vielleicht konnte sie ihn dazu bringen, die ganze Nacht mit ihr zu tanzen. Wahrscheinlich war er der beste Partner, den sie je gehabt hatte. Nicht, daß es ihr je an ihnen gefehlt hätte. Aber er war auf subtile Weise anders. Auch beim Tanzen, denn er schien viele Kombinationen der Tanzschritte zu kennen, und sie mußte sich wirklich auf ihre Füße konzentrieren, um seiner Führung zu folgen. Vielleicht lag es daran, daß er der Sohn eines Burgherrn war.
    »Vielleicht liegt es daran, daß du eine Läuferin bist«, sagte er, und seine Bemerkung setzte sie in Erstaunen, weil es beinahe das war, was sie selbst gerade gedacht hatte, »aber du bist so unglaublich leichtfüßig.« Er legte die Hände noch fester um sie und zog sie so nahe an sich, wie er konnte.
    Sie schwiegen beide und konzentrierten sich auf die komplizierten Tanzschritte. Für Tenna ging der Tanz viel zu früh zu Ende. Sie wollte ihn nicht loslassen. Und er sie auch nicht. Und so standen sie auf der Tanzfläche, Arme an den Seiten, aber dicht beisammen. Die Musik setzte wieder ein, ein schnellerer Tanz, und ehe sie ein Wort sagen konnte, hatte Haligon sie in seine Arme genommen und bewegte sich zum Rhythmus dieser Melodie. Diesmal mußten sie sich nicht nur auf die Schritte konzentrieren, sondern auch darauf, Zusammenstöße mit anderen ausgelassenen Tänzern zu vermeiden, die über das Parkett wirbelten.
    Nach drei Tänzen in Folge winkte Haligon sie von der Tanzfläche, als das Ensemble wechselte, und tat so, als brauchte er etwas zu trinken. Mit Gläsern gekühlten Weißweins führte er sie in den Schatten eines verlassenen Stands.
    Sie lächelte in sich hinein und überlegte sich eine Reihe geschickter Zurückweisungen, falls sie vonnöten sein sollten.
    »Ich glaube, du bist gar nicht lahm, Tenna«, sagte er im Plauderton. »Zumal wenn der Stationsmeister dich zum Hafen hinunter laufen läßt. Möchtest du nicht doch den ersten Wurftanz versuchen?«
    Seine Miene forderte sie heraus.
    »Wir werden sehen.«
    Pause.
    »Wirst du morgen wieder laufen?«
    »Ich werde mich mit dem Wein zurückhalten, falls ich muß«, sagte sie, halb als Warnung für ihn, während sie das Glas hob.
    »Wirst du es von hier in einem Stück zum Meer schaffen?«
    »Wahrscheinlich. Es ist Frühling, also wird kein Schnee auf dem Paßweg liegen.«
    »Würdest du auch gehen, wenn welcher läge?«
    »Niemand in der Station hat etwas von Schnee auf den Pässen gesagt.«
    »Du hältst die Ohren offen, ja?«
    »Eine Läuferin muß den Zustand der Wege immer kennen.« Sie maß ihn mit einem strengen Blick.
    »Schon gut, ich habe die Botschaft verstanden.«
    »Recht so.«
    Pause.
    »Weißt du, du bist überhaupt nicht so, wie ich erwartet hatte«, sagte Haligon respektvoll.
    »Dieses Kompliment kann ich durchaus erwidern, Haligon«, antwortete sie.
    Die neuen Musiker spielten die ersten Akkorde des neuen Stücks, um die Leute auf den kommenden Tanz einzustimmen.
    Als Tenna seinen Arm um die Schultern spürte, wehrte sie sich nicht gegen den sanften Druck. Auch nicht, als er sie mit beiden Armen umfing und sein Mund ihren fand. Es war ein schöner Kuß, nicht so nachlässig, wie andere gewesen waren, sondern gut auf ihren Lippen plaziert, als wüßte er genau, was er beim Küssen wollte. Auch seine Umarmung war sicher, er drückte sie nicht zu fest an sich. Respektvoll, dachte sie . .

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