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Der siebte Schrein

Der siebte Schrein

Titel: Der siebte Schrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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konntest.« Groghe zog die Augenbrauen zu einem Stirnrunzeln zusammen, das den Umständen galt, nicht ihrer Rolle dabei. »Ich muß gestehen, ich habe Gerüchte über die Beschwerden anderer Läufer gehört, weil er ihre Wege benutzt. Stationsmeister Torlo hat mir von einigen Beinahezusammenstößen berichtet. Du darfst gewiß sein, daß Haligon die Wege von nun an den Läufern überlassen wird, die sie gemacht haben. Du stammst von Station Siebenundneunzig? Burg Keroon?«
    Tenna nickte nur. Sie konnte es kaum glauben. Ein Burgherr entschuldigte sich bei ihr?
    »Mein Sohn Haligon hatte keine Ahnung, daß er dich in jener besagten Nacht fast niedergeworfen hätte. Er mag rücksichtslos sein«, und Groghe lächelte ein wenig nachsichtig, »aber er würde niemals absichtlich jemanden verletzen.«
    Rosa stieß Tenna in die Rippen, und Tenna wurde klar, daß sie diese Gelegenheit nicht ungenutzt verstreichen lassen durfte, nicht nur ihretwegen, sondern im Interesse aller Läufer.
    »Baron Groghe, ich . . . wir alle«, und sie schloß Rosa und Cleve mit ein, »wären dankbar zu wissen, daß wir ohne Störung auf unseren Wegen laufen können. Ich hatte kaum eine Chance zu bemerken, daß jemand anders den Weg benutzte. Der Hügel verbarg ihn vor meinen Blicken, und der Wind übertönte den Hufschlag. Ich hätte richtig schwer verletzt werden können. Die Wege sind nicht breit, wie Ihr wißt.« Er nickte, und sie fuhr kühn fort: »Und sie wurden für Läufer angelegt, nicht für Reiter.« Er nickte wieder. »Ich glaube, die Station Fort wäre Euch dankbar, wenn Ihr dafür Sorge tragen würdet, daß wirklich nur Läufer die Wege benutzen.«
    Danach fiel ihr nichts mehr ein. Sie saß nur da und lächelte mit nervös zuckenden Mundwinkeln.
    »Mir wurde gut und aufrichtig Bescheid gesagt, Läuferin Tenna.« Er lächelte sie an und senkte den Blick einen Sekundenbruchteil auf ihren Ausschnitt. »Du bist ein sehr hübsches Mädchen! Blau steht dir gut.« Er tätschelte kurz ihre Hand, bevor er aufstand. »Ich habe Torlo gesagt, daß die Störungen unterbleiben.« Dann fügte er mit seiner üblichen tragenden Stimme hinzu: »Genießt die Zusammenkunft, Läufer! Und den Wein.«
    Damit stand er auf und entfernte sich, nickte und lächelte und ließ die drei Läufer wie betäubt zurück. Rosa erholte sich als erste. Sie nahm einen kräftigen Schluck Wein.
    »Torlo hatte recht. Du hast es geschafft«, sagte sie. »Und das ist ein guter Wein.«
    »Was würden sie Baron Groghe sonst servieren?« fragte Cleve und rückte das Glas, das am Platz des Burgherrn stehengeblieben war, unauffällig näher zu seinem. Der Schluck, den Baron Groghe getrunken hatte, hatte den Inhalt kaum reduziert. »Wir können uns das hier teilen.«
    »Ich kann nicht glauben, daß der Burgherr sich entschuldigt hat.« Tenna schüttelte den Kopf, Hand auf der Brust. »Bei . . . mir. Tenna.«
    »Du bist doch diejenige, die verletzt worden ist, oder nicht?« sagte Rosa.
    »Schon, aber . . .«
    »Aber woher hat Baron Groghe es gewußt?« beendete Cleve die Frage Tennas.
    »Wir haben alle gesehen, wie Haligon zur Station gegangen ist«, sagte Rosa, ehe sie noch einen Schluck Wein trank. Sie verdrehte die Augen, um den Geschmack zu würdigen. »Aber Baron Groghe ist ein gerechter Mann, auch wenn er für gewöhnlich denkt, daß Frauen Schwachköpfe sind. Aber er ist gerecht.« Dann kicherte sie wieder. »Und er hat gesagt, wie hübsch du bist, das hat auch geholfen, weißt du. Haligon mag hübsche Mädchen. Baron Groghe auch, aber der beläßt es bei Blicken.«
    Die drei Läufer hatten sich so sehr auf ihre Unterhaltung konzentriert, daß sie Haligon erst sahen, als er das grüne Stück Leder von Ligands Stand vor Tenna ausrollte.
    »Ich entschuldige mich hiermit ausdrücklich, Läuferin Tenna! Ich hatte wirklich keine Ahnung, daß in jener Nacht jemand auf dem Weg war«, sagte Haligon und verbeugte sich höflich, ohne den Blick von Tennas Gesicht abzuwenden. Dann wurde seine zerknirschte Miene zu einer verdrießlichen. »Der Stationsmeister hat mir die Hölle heiß gemacht. Und mein Vater auch.«
    »Oh, hast du Tenna nicht geglaubt?« fragte Rosa ihn keck.
    »Wie konnte ich angesichts der Verletzungen, die sie mir gezeigt hat, ihre Worte bezweifeln?« fragte Haligon. Er winkte den Weinhändler an ihren Tisch.
    Cleve gab ihm durch eine Handbewegung zu verstehen, daß er sich zu ihnen setzen solle.
    »Geht es . . . deinem Bruder wieder besser?« fragte Tenna, eine Frage,

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