Der siebte Schrein
. und dann, als der Kuß mit ihrem Zutun intensiver wurde, dachte sie an nichts anderes mehr als daran, das Gefühl zu genießen.
Haligon belegte sie den ganzen Abend mit Beschlag, und er machte es nicht ungeschickt. Er schleppte sie immer zur Tanzfläche ab, bevor ein anderer sie finden konnte. Sie küßten sich ziemlich oft zwischen den Tänzen. Er begegnete ihr mit mehr Respekt, als sie erwartet hatte. Und das sagte sie ihm.
»Bei dem Schlag, den du drauf hast, mein Mädchen«, antwortete er, »kannst du deine letzte Mark darauf wetten, daß ich nicht vorhabe, das Schicksal meines Bruders zu teilen.«
Er brachte ihr auch andere kalte Getränke als Wein. Das wußte sie noch mehr zu schätzen. Besonders, als die Musik des Wurftanzes einsetzte. Alle bis auf ein paar verwegene Paare verschwanden von der Tanzfläche.
»Wollen wir?« und Haligons Grinsen war die Herausforderung, die sie brauchte.
Die Schmerzen in ihrem rechten Schienbein waren wirklich nicht der Rede wert, und ihr Vertrauen in sein Geschick als Tänzer war den ganzen Abend gewachsen; andernfalls hätte sie nicht zugestimmt.
Im Verlauf des Tanzes mußte die Partnerin so hoch geschwungen werden, wie es nur ging, und wenn sie besonders geschickt war, würde sie sich in der Luft einmal um sich selbst drehen, bevor der Partner sie wieder fing. Es war ein gefährlicher Tanz, aber er machte solchen Spaß. Tennas älterer Bruder hatte ihn ihr beigebracht und so oft mit ihr geübt, daß ihr die Umdrehung gut gelang. Ihre Partner bei Zusammenkünften im Osten waren stets sicherer geworden, wenn sie wußten, wie leicht sie war und was für eine gute Tänzerin.
Schon nach dem ersten Wurf wußte sie, daß Haligon der beste Partner war, den sie je gehabt hatte. Allgemeiner Jubel wurde laut, als sie einmal zwei Umdrehungen in der Luft schaffte, bevor er sie fing. Bei einer der wenigen engen Figuren des Tanzes flüsterte er ihr rasch Anweisungen ins Ohr, so daß sie auf den letzten Wurf vorbereitet war. Und sie konnte mitmachen, weil sie wußte, daß er dasein und sie nicht auf den Boden fallen lassen würde. Es sah fast so aus, als würde sie stürzen, und ein Aufschrei ging durch die Zuschauer, als er sie eine halbe Handbreit über dem Boden fing. Ein anderes Mädchen hatte dieses Glück nicht, trug aber außer der Kränkung keinen Schaden davon.
Cleve, Rosa, Spacia, Grolly und die meisten anderen aus der Station drängten sich um die beiden, als sie die Tanzfläche verließen, und gratulierten ihnen zu der Darbietung. Man bot ihnen Getränke, Fleischröllchen und andere Delikatessen an.
»Die Ehre der Station ist gerettet«, verkündete Cleve lautstark. »Und natürlich die der Burg«, fügte er großmütig hinzu und verbeugte sich vor Haligon.
»Tenna ist die beste Partnerin, die ich je hatte«, antwortete Haligon und wischte sich über das Gesicht.
Dann kam Torlo durch die Menge und klopfte Tenna auf die Schulter.
»Du stehst auf der Läuferliste, Tenna«, sagte er und unterstrich die Warnung mit einem Nicken.
»Zur Küste?«
»Wie es dein Wunsch war.« Torlo warf Haligon einen strengen Blick zu.
»Darf ich dich dann zur Station begleiten, Tenna?« fragte Haligon.
Die Harfner hatten einen weiteren langsamen Tanz angestimmt. Rosa und Spacia sahen Tenna durchdringend an, aber sie konnte ihre Blicke nicht deuten. Sie kannte ihre Pflicht als Läuferin auch.
»Dann ist dies der letzte Tanz.« Und sie nahm Haligon am Arm und führte ihn zur Tanzfläche.
Haligon schmiegte sich an sie, und sie ließ sich entspannt gegen ihn sinken und von ihm führen. So eine Zusammenkunft hatte sie in ihrem Leben noch nicht erlebt. Sie konnte fast froh sein, daß er sie vom Weg gedrängt und damit die Ereignisse ausgelöst hatte, die zu diesem wunderbaren Abend geführt hatten.
Sie sagten nichts, genossen beide die fließende Bewegung des Tanzes und die liebliche Musik. Als der Tanz zu Ende war, führte Haligon sie von der Tanzfläche, hielt ihre rechte Hand in seiner und führte sie zur Station, deren Leuchtkorb an der Tür erstrahlte.
»Also, Läuferin Tenna, du beendest deine erste Überquerung. Es wird nicht deine letzte sein, oder?« fragte Haligon, als sie dicht außerhalb des Lichtkreises stehenblieben. Er hob die Hand und strich behutsam die Locken zurück.
»Nein, das ist unwahrscheinlich. Ich werde laufen, solange ich dazu in der Lage bin.«
»Aber du wirst die Überquerung häufig machen, oder?« fragte er, und sie nickte. »Irgendwann in der Zukunft,
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