Der siebte Schrein
Läufer überschüttet zu werden, die ihr gratulierten und gerne mit ihr getanzt oder beim Abendessen neben ihr gesessen hätten.
»Hab ich´s nich gesacht?« sagte Penda und hielt Tenna am Arm fest, als sie gehen wollte. Die Frau grinste von einem Ohr zum anderen. »Hübsche Mädchen finden immer Gehör, weißte.«
Tenna lachte. »Und Haligon wird von den Wegen fernbleiben.«
»Das hat sein Vater versprochen«, sagte Penda, »aber wir müssen abwarten, ob er´s tut.«
»Ich werde dafür sorgen, daß er es tut«, verkündete Tenna unbekümmert und ging auf den Hof hinaus. Sie hatte sich noch nie so prächtig amüsiert.
Unten an der Straße bildeten sich die ersten Schlangen an den Grillplätzen, und sie fragte sich, ob Haligon sich mit der Einladung zum Essen nur über sie lustig gemacht und als Sohn des Burgherrn nie die Absicht gehabt hatte, sein Versprechen wahrzumachen. Dann stand er plötzlich neben ihr und bot ihr seinen Arm an.
»Ich habe es nicht vergessen«, murmelte er.
Da er der Sohn eines Burgherrn war, konnten sie sich an einer anderen Schlange am Grill anstellen und bekamen ihr Essen dadurch deutlich vor Cleve und Rosa. Haligon bestellte dazu von dem ausgezeichneten Wein, den sie schon am Nachmittag getrunken hatten, daher war Tenna recht fröhlich und entspannt, bis der Tanz anfing.
Sie hatte den ersten Tanz Grolly versprochen - weil er nie erwartet hätte, daß so ein hübsches Mädchen mit ihm tanzen würde und weil er sie als erster gefragt hatte -, und zu ihrer Überraschung tanzte Haligon ihn nicht mit jemand anders. Er wartete an ihrem Tisch, bis Grolly sie außer Atem zurückbrachte. Es war eine muntere Melodie, aber längst nicht so schnell oder kompliziert wie der Wurftanz. Der nächste Tanz war langsamer, und sie hielt Haligon die Hand hin, obwohl sich die Hälfte aller Läufer auf der Zusammenkunft inzwischen darum rissen, mit ihr tanzen zu können.
Er zog sie mit einer heftigen Bewegung in seine Arme, und plötzlich tanzten sie Wange an Wange. Er war nur ein wenig größer als sie, daher konnten sie ihre Tanzschritte mühelos aufeinander abstimmen. Nach einer Runde über die Tanzfläche hatte sie volles Vertrauen in seine Führung.
»Weißt du, wann du wieder laufen wirst?«
»Ich bin schon eine kurze Strecke gelaufen, runter zum Hafen«, sagte sie. »Genug, um mich aufzuwärmen.«
»Wie schaffst du nur so lange Strecken auf deinen Beinen?« fragte er und hielt sie ein Stück von sich, damit er ihr Gesicht im Licht der Leuchtkörbe sehen konnte, die das Parkett säumten. Er schien es wirklich wissen zu wollen.
»Ein Teil ist natürlich Training. Ein Teil, weil unserer Familie das Laufen im Blut liegt.«
»Hättest du etwas anderes mit deinem Leben anfangen können?«
»Hätte ich, aber ich laufe gern. Das hat eine Art von . . . Magie. Manchmal glaubt man, man könnte um die Welt laufen. Besonders gern laufe ich nachts. Man hat den Eindruck, als wäre man der einzige, der wach und am Leben und in Bewegung ist.«
»Das bist du wahrscheinlich auch, abgesehen von Schwachköpfen mit Reittieren auf Laufwegen, wo sie nichts verloren haben«, sagte er trocken. »Und wie lange läufst du schon?«
Es hörte sich an, als wäre er aufrichtig interessiert. Sie glaubte, daß sie vielleicht einen Fehler gemacht hatte, wegen etwas so Gewöhnlichem wie dem Laufen sentimental zu werden.
»Fast zwei ganze Planetenumläufe. Dies ist meine erste Überquerung.«
»Und ich war der Idiot, der sie unterbrochen hat«, sagte er.
Tenna wurde fast verlegen, weil er immer wieder auf seinen Fehler anspielte.
»Wie oft muß ich noch sagen, daß ich dir vergeben habe?« sagte sie und brachte die Lippen näher an sein Ohr. »Aus diesem grünen Leder kann ich schöne Schuhe für mich machen. Woher hast du übrigens gewußt, daß ich dieses Stück wollte? Bist du uns gefolgt?«
»Vater hat gesagt, ich müßte mir eine persönlichere Wiedergutmachung einfallen lassen, als dir Geld zu überreichen . . .«
»Du hast Gerber Ligand doch nicht gegeben, was er verlangt hat, oder?« Ihre Frage klang ein wenig scharf, weil sie nicht wollte, daß er mehr hatte ausgeben müssen, als ihr erforderlich schien. Und sie lehnte sich in seinem Arm weit genug zurück, daß sie sein Gesicht sehen konnte, als er antwortete.
»Ich werde dir nicht sagen, wieviel, Tenna, aber es war ein fairer Handel. Das Problem war«, und nun klang Haligons Stimme wehmütig, »er wußte, wie sehr ich dieses spezielle Stück brauchte. Weißt
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