Der siebte Schrein
konnte, welchen Schabernack junge Frauen trieben. »Keine Bange, Kind! Ich heile dich, damit du meine Fragen beantworten kannst.«
Wenn Moiraine noch Zweifel gehabt hätte, daß Merean eine Schwarze Ajah war, dann hätte diese Feuerwelle sie ausgeräumt. In den nächsten Augenblicken bekam sie noch mehr Beweise, Zaubersprüche, die Funken auf ihrem Kleid tanzen ließen und ihre Haare aufrichteten, die sie nach Luft schnappen ließen, die nicht mehr da war, und Zaubersprüche, die sie nicht kannte, die sie aber sicher blutend zerschmettert hätten, wenn sie sie einhüllen würden, wenn sie es nicht schaffte, sie zu durchtrennen . . .
Wenn es ihr möglich war, versuchte sie immer wieder, die Bänder zu durchtrennen, die Diryk und die anderen hielten, Merean mit dem Schild zu bedrängen, sogar, sie bewußtlos zu schlagen. Sie wußte, sie kämpfte um ihr Leben - sie würde sterben, wenn die andere Frau siegte, jetzt gleich oder nach Mereans Verhör -, aber sie dachte nie an das Schlupfloch in den Eiden, die sie banden. Sie hatte auch Fragen, die sie der Frau stellen wollte, und das Schicksal der Welt mochte von den Antworten abhängen. Unglücklicherweise konnte sie wenig mehr tun, als sich zu verteidigen, und das immer am Rand des Abgrunds. Ihr Magen war ein Knoten und versuchte, noch einen zu machen. Merean hielt drei Leute in Schach und war ihr immer noch ebenbürtig, vielleicht überlegen. Wenn Lan die Frau nur ablenken könnte.
Ein rascher Blick zeigte ihr, wie unwahrscheinlich das war. Lan und Ryne tanzten die Figuren, ihre Klingen waren wie Wirbelwinde, aber wenn einer eine Winzigkeit überlegen war, dann Ryne. Blut strömte auf der Seite an Lans Gesicht herab.
Grimmig schlug Moiraine zu und hob sich nicht einmal das winzige bißchen Konzentration auf, das erforderlich war, um die Kälte nicht zu spüren. Zitternd ging sie gegen Merean vor, verteidigte sich und schlug wieder zu, verteidigte sich und schlug zu. Wenn es ihr gelang, die Frau zu erschöpfen oder . . .
»Das dauert alles zu lang, Kind, findest du nicht auch?« sagte Merean. Diryk schwebte in die Luft und wehrte sich gegen Fesseln, die er nicht sehen konnte, während er über das Geländer trieb. Brys drehte den Kopf und sah seinem Sohn nach; bewegte den Mund um den unsichtbaren Knebel herum.
»Nein!« schrie Moiraine. Sie schickte verzweifelt Luftströme los, um den Jungen wieder in Sicherheit zu bringen. Merean schnitt sie durch, während sie den eigenen Einfluß auf ihn abschwächte. Diryk stürzte kreischend ab, und weißes Licht explodierte in Moiraines Kopf.
Benommen schlug sie die Augen auf, als der abschwellende Schrei des Jungen noch in ihren Ohren hallte. Sie lag rücklings auf dem Steinboden, und alles drehte sich um sie herum. Solange sich ihr Schwindel nicht legte, hatte sie so gute Chancen, Saidar zu umarmen, wie eine Katze, zu singen. Nicht, daß es jetzt noch einen Unterschied machte. Sie konnte den Schild sehen, den Merean gegen sie aufgebaut hatte, und selbst eine schwächere Frau konnte einen Schild halten, wenn er erst einmal voll ausgebildet war. Sie versuchte aufzustehen, fiel zurück und schob einen Ellbogen unter sich.
Nur Augenblicke waren vergangen. Lan und Ryne tanzten immer noch ihren tödlichen Tanz zum Klirren des Stahls. Brys war nicht nur wegen seiner Fesseln starr; er starrte Merean mit einem derart unversöhnlichen Haß an, daß es den Anschein hatte, als könnte er sich allein kraft seiner Wut befreien. Iselle zitterte sichtlich, schniefte und weinte und sah mit aufgerissenen Augen zu der Stelle, wo der Junge abgestürzt war. Wo Diryk abgestürzt war. Moiraine zwang sich, den Namen des Jungen zu denken, und verzog das Gesicht, als sie an sein Grinsen und seine Begeisterung dachte. Nur Augenblicke.
»Ich glaube, du mußt dich einen Moment für mich aufsparen«, sagte Merean und wandte sich von Moiraine ab. Brys schwebte über dem Boden. Der Gesichtsausdruck des stämmigen Mannes veränderte sich nicht, er wandte den haßerfüllten Blick nicht von Merean ab.
Moiraine kämpfte sich auf die Knie. Sie konnte nicht kanalisieren. Sie hatte keinen Mut mehr, keine Kraft. Nur Entschlossenheit. Brys schwebte über die Brüstung. Moiraine stand zitternd auf. Entschlossenheit. Mit dem Ausdruck unversöhnlichen Hasses stürzte Brys ab, ohne einen Laut von sich zu geben. Dies mußte ein Ende haben. Iselle schwebte in die Luft, zappelte voller Panik und versuchte angestrengt, trotz des Knebels, zu schreien. Es mußte jetzt
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