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Der siebte Schrein

Der siebte Schrein

Titel: Der siebte Schrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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ein Ende haben! Stolpernd stieß Moiraine Merean das Messer in den Rücken; Blut spritzte auf ihre Hände.
    Sie fielen gemeinsam auf die Pflastersteine, das Leuchten um Merean erlosch, als sie starb, der Schirm gegen Moiraine brach zusammen. Iselle schrie und schwankte auf der Brüstung, wo Mereans Fesseln sie fallen gelassen hatten. Moiraine trieb sich selbst zum Handeln an. stolperte über Mereans Leichnam und packte einen von Iselles rudernden Armen, als die Schuhe des Mädchens gerade ins Freie abrutschten.
    Der Ruck zog Moiraine mit dem Bauch auf die Brüstung, und sie sah auf das Mädchen hinab, das sie in ihren vom Blut glitschigen Händen über einem Abgrund festhielt, der bodenlos zu sein schien. Es kostete Moiraine alle Anstrengung, sie nur schwankend zu halten, wo sie waren. Wenn sie versuchte, das Mädchen hochzuziehen, würden sie beide abstürzen. Iselles Gesicht war verzerrt, ihr Mund verkrampft. Ihre Hand rutschte aus Moiraines Griff. Moiraine zwang sich zur Ruhe und suchte nach der Quelle, fand sie aber nicht. Daß sie auf die fernen Dächer hinuntersah, half ihr nicht gegen ihr Schwindelgefühl. Wieder versuchte sie es, aber es war, als wollte sie mit gespreizten Fingern Wasser schöpfen. Sie kämpfte gegen das Schwindelgefühl an und suchte nach Saidar. Und Iselles Hand glitt aus ihren blutigen Fingern. Moiraine konnte nur zusehen, wie sie abstürzte und dabei die Hand ausgestreckt hielt, als ob sie glaubte, jemand würde sie noch retten.
    Ein Arm zog Moiraine vom Geländer weg.
    »Man sollte niemals jemanden sterben sehen, wenn es nicht unbedingt sein muß«, sagte Lan und stellte sie auf die Füße. Sein rechter Arm hing ihm an der Seite herab, ein langer Schnitt hatte den Ärmel aufgeschlitzt, und das Fleisch darunter, und er hatte noch andere Verletzungen außer der klaffenden Wunde am Kopf, aus der ihm noch Blut übers Gesicht lief. Ryne lag zehn Schritte entfernt auf dem Rücken und sah überrascht und blicklos zum Himmel. »Ein schwarzer Tag«, murmelte Lan. »Wie ich ihn schwärzer noch nicht erlebt habe.«
    »Einen Moment«, sagte sie mit unsicherer Stimme zu ihm. »Mir ist so schwindlig, daß ich nicht weit gehen kann.« Mit schwankenden Knien ging sie zu Mereans Leichnam. Sie würde keine Antworten bekommen. Die Schwarzen Ajah würden im verborgenen bleiben. Sie bückte sich, zog ihr Messer heraus und wischte es an den Röcken der Verräterin ab.
    »Du bist ganz schön kühl, Aes Sedai«, sagte Lan nüchtern.
    »So kühl, wie ich sein muß«, sagte sie zu ihm. Diryks Schrei hallte in ihren Ohren. Iselles Gesicht verschwand vor ihren Augen in der Tiefe. »Sieht so aus, als wäre Ryne nicht nur ein Schattenfreund gewesen, sondern als hätte er sich auch geirrt. Ihr wart besser als er.«
    Lan schüttelte den Kopf. »Er war besser. Aber er dachte, mit nur einem Arm wäre ich erledigt. Das hat er nie begriffen. Man ergibt sich erst, wenn man tot ist.«
    Moiraine nickte. Ergeben, wenn man tot ist. Ja.
    Es dauerte eine Weile, bis sich ihr Kopf soweit geklärt hatte, daß sie die Quelle wieder anzapfen konnte, und sie mußte sich mit Lans Nervosität auseinandersetzen, der die Shatayan wissen lassen wollte, daß Brys und Diryk tot waren, bevor die Nachricht überbracht wurde, daß man ihre Leichen auf den Dächern gefunden hatte. Verständlicherweise schien er nicht so erpicht darauf zu sein, Lady Edeyn vom Tod ihrer Tochter zu unterrichten. Auch Moiraine machte sich Sorgen um die Zeit, wenn auch aus anderen Gründen. Sie heilte ihn, sobald sie dazu imstande war. Er stöhnte erschrocken, als die komplexen Ströme von Geist, Luft und Wasser seine Wunden verschlossen, Fleisch sich zusammenfügte, ohne Narben zu hinterlassen. Wie alle, die so geheilt worden waren, war er hinterher schwach, so schwach, daß er sich keuchend am Steingeländer festhalten mußte. Er würde eine Zeitlang nirgendwohin laufen.
    Vorsichtig ließ Moiraine Mereans Leichnam über das Geländer und ein wenig nach unten schweben, dicht am Felsgestein entlang. Feuerströme und Flammen hüllten die Schwarze Schwester ein, so heiße Flammen, daß sie keinen Rauch erzeugten, nur ein Schimmern in der Luft, und vereinzelt das Knacken berstenden Steins.
    »Was macht Ihr . . .?« begann Lan und änderte es ab zu: »Warum?«
    Moiraine ließ sich die aufsteigende Hitze spüren, Luftströme, die zu einem Brennofen gepaßt hätten. »Es gibt keinen Beweis dafür, daß sie eine Schwarze Ajah war, nur dafür, daß sie eine Aes Sedai war.«

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