Der siebte Schrein
Geschick war ihnen günstig, und mitunter erlangten sie unerwartet Prominenz, so wie der Hufschmied. Siuan hatte recht. Die Schwarzen Ajah hatten ein Gemetzel begonnen!
»Aber sie können nicht nach einem Knaben suchen«, sagte Moiraine. So hart, wie sie sein mußte. »Ein Säugling zeigt keine Spuren.« Frühestens mit sechzehn. Es war nicht bekannt, daß ein Mann vorher zu kanalisieren begonnen hätte, und manche erst zehn oder noch mehr Jahre später. »Wir haben mehr Zeit, als wir gedacht haben. Aber nicht genug, um sorglos zu sein. Jede Schwester kann eine Schwarze sein. Ich glaube, Cadsuane ist eine. Sie wissen, daß andere auf der Suche sind. Wenn eine von Tamras Suchenden den Jungen findet und sie sie mit ihm erwischen, oder wenn sie beschließen, eine von ihnen zu befragen, statt sie zu töten, sobald es ihnen zweckdienlich erscheint . . .« Siuan starrte sie an. »Unsere Aufgabe ist noch nicht beendet«, sagte Moiraine.
»Ich weiß«, sagte Siuan langsam. »Ich habe einfach nie nachgedacht. Nun, wenn es Arbeit gibt, holt man Netze ein oder weidet Fische aus.« Aber dem fehlte ihr sonstiger Nachdruck. »Wir können noch vor Mittag in Arafel sein.«
»Du kehrst in die Burg zurück«, sagte Moiraine. Zusammen konnten sie nicht schneller suchen als eine allein, und wenn sie getrennt sein mußten, gab es dann einen besseren Platz für Siuan, als für Cetalia Delarme zu arbeiten und alle Berichte von Augen und Ohren der Blauen Ajah zu Gesicht zu bekommen? Blau war eine kleine Ajah, aber alle Schwestern sagten, daß sie ein größeres Netz als alle anderen hatte. Während Moiraine nach dem Jungen suchte, konnte Siuan erfahren, was in jedem Land vor sich ging, und da sie wußte, wonach sie suchte, konnte sie jeden Hinweis auf die Schwarzen Ajah und den Wiedergeborenen Drachen entdecken. Siuan konnte wirklich vernünftig sein, wenn man ihr gut zuredete, obwohl es diesmal ziemlich mühselig war, und als sie zustimmte, tat sie es nicht ohne Murren.
»Cetalia wird mich benutzen, um mit mir die Klos aufzuwischen, weil ich ohne Erlaubnis weggelaufen bin«, grollte sie. »Verbrenne mich! Sie wird mich in der Burg zum Trocknen an eine Wäscheleine hängen! Moiraine, allein die politischen Ränke reichen aus, daß man im tiefsten Winter Sturzbäche schwitzt! Ich hasse es!« Aber sie suchte bereits in den Truhen, was sie für die Rückreise nach Tar Valon brauchen konnte. »Ich nehme an, du hast diesen Lan gewarnt. Mir scheint, er hat es verdient, was immer es ihm auch nützen wird. Ich habe gehört, daß er vor einer Stunde aufgebrochen ist, um in die Große Fäule zu reiten, und wenn das nicht sein Tod ist . . . Wo gehst du hin?«
»Ich bin noch nicht fertig mit diesem Mann«, sagte Moiraine über die Schulter. Sie hatte an dem Tag, als sie ihn zum erstenmal sah, eine Entscheidung getroffen, und sie hatte vor, sich daran halten.
Im Stall, wo Pfeil untergestellt war, sorgten Silbermünzen, mit denen sie wie mit Pfennigen um sich warf, dafür, daß das Pferd gesattelt wurde, während die Münzen fast noch durch die Luft flogen, und sie sprang in den Sattel, ohne darauf zu achten, daß ihre Röcke hochrutschten und ihre Beine fast bis zu den Knien entblößten. Sie gab dem Tier die Fersen und galoppierte aus Aesdaishar hinaus, in nördlicher Richtung durch die Stadt, trieb die Leute aus dem Weg und ließ Pfeil einmal sogar über einen leeren Wagen springen, weil der Fahrer ihr nicht schnell genug Platz machte. Sie ließ einen Tumult von Rufen und geschüttelten Fäusten hinter sich.
Auf der Straße nördlich der Stadt drosselte sie das Tempo gerade lange genug, um Wagenlenker, die in die andere Richtung fuhren, zu fragen, ob sie einen Malkieri auf einem braunen Hengst gesehen hatten, und war mehr als erleichtert, als sie zum erstenmal ein Ja hörte. Der Mann hätte in fünfzig Richtungen reiten können, als er die Zugbrücke passiert hatte. Und mit einer Stunde Vorsprung . . . Sie würde ihn einholen, und wenn sie ihm bis in die Große Fäule folgen mußte!
»Ein Malkieri?« Der spindeldürre Kaufmann im dunkelblauen Mantel sah verblüfft aus. »Nun, meine Wachen haben mir gesagt, daß einer da oben ist.« Er drehte sich auf dem Sitz seines Wagens und zeigte einen grasbewachsenen Hügel hundert Schritte abseits der Straße hinauf. Auf der Kuppe konnte man deutlich zwei Pferde stehen sehen, eines davon ein Lastpferd, und den dünnen Rauch eines Feuers, der sich im Wind kräuselte.
Lan sah kaum auf, als sie abstieg. Er
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