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Der Sieger bleibt allein (German Edition)

Der Sieger bleibt allein (German Edition)

Titel: Der Sieger bleibt allein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paulo Coelho
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Würden sie etwa den ganzen Tag auf dieser Bank sitzen? Würde er nicht so oder so schießen, weil sie ja jetzt sein Gesicht kannte?
    »Sie haben gesagt, dass Sie nicht schießen werden.«
    »Ich habe versprochen, es nicht zu tun, wenn Sie sich wie ein erwachsener Mensch benehmen, der mich nicht für dumm verkauft.«
    Okay. Sie wird sich wie ein erwachsener Mensch  benehmen, etwas von sich erzählen und damit an sein Mitgefühl appellieren, denn selbst ein Verrückter ist davon nicht ganz frei. Sie wird ihm erklären, dass sie in einer ähnlichen Lage ist wie er, obwohl das nicht stimmt.
    Ein Junge rennt vorbei, die Hörer seines iPods im Ohr. Er würdigt die beiden keines Blicks.
    »Ich lebe mit einem Mann zusammen, der mir das Leben zur Hölle macht, und dennoch kann ich mich nicht von ihm lösen.«
    Igors Blick verändert sich.
    Olivia glaubt, einen Ausweg gefunden zu haben. ›Jetzt muss ich klug agieren, darf ihn nicht merken lassen, wie ausgeliefert ich mich fühle. Wahrhaftig sein.‹
    »Er hält mich von meinen Freunden fern. Er ist ständig eifersüchtig, obwohl er selbst fremdgeht. Er kritisiert alles, was ich tue, wirft mir vor, ich hätte überhaupt keinen Ehrgeiz. Das wenige Geld, das ich als Kommission für den Verkauf des Schmucks verdiene, kassiert er.«
    Der Russe blickt schweigend aufs Meer. Die Strandpromenade füllt sich mit Menschen. Was würde geschehen, wenn sie jetzt einfach aufstehen und wegrennen würde? Würde er tatsächlich schießen? War es eine echte Waffe?
    Sie ist sich sicher, ein Thema angesprochen zu haben, das seine Anspannung ein wenig lösen kann. Jetzt bloß nichts Verrücktes tun und damit alles aufs Spiel setzen – den Blick und die Stimme von vor ein paar Minuten hat sie nicht vergessen.
    »Dennoch schaffe ich es nicht, ihn zu verlassen. Auch wenn der beste, reichste, großzügigste Mann der Welt auftauchen würde, meinen Freund würde ich gegen niemanden eintauschen. Ich bin keine Masochistin, ich genieße es nicht, ständig erniedrigt zu werden – aber ich liebe ihn.«
    Sie spürt erneut den Druck der Waffe an ihren Rippen. Sie hat das Falsche gesagt.
    »Ich bin nicht wie dieser Mistkerl von Ihrem Freund!« In seiner Stimme schwingt blanker Hass mit. »Ich habe hart gearbeitet, um mir meine jetzige Existenz aufzubauen. Ich habe viele Rückschläge einstecken müssen. Ich habe ehrlich gekämpft, obwohl ich manchmal hart und unbarmherzig sein musste.
    Außerdem war ich immer ein guter Christ. Habe einflussreiche Freunde und war niemals undankbar. Kurz und gut, ich habe alles richtig gemacht.
    Ich bin nicht über Leichen gegangen. Habe meine Frau immer darin unterstützt, das zu tun, was sie wollte. Und was habe ich jetzt davon? Ich bin allein. Na ja! Ich habe in einem idiotischen Krieg Menschen getötet, aber nie das Gefühl für die Realität verloren. Ich bin kein traumatisierter Kriegsveteran, der ein Restaurant betritt und mit seiner Maschinenpistole wild um sich schießt. Ich bin kein Terrorist. Ich könnte denken, das Leben sei mir gegenüber ungerecht gewesen, weil es mir das Allerwichtigste genommen hat: die Liebe. Aber es gibt andere Frauen, und Liebesschmerz geht immer vorüber. Ich muss handeln, ich habe es satt, ein Frosch in einem Topf mit Wasser zu sein, das sich ganz allmählich erhitzt.«
    »Wenn Sie wissen, dass es andere Frauen gibt, wenn Sie wissen, dass der Schmerz vorübergeht, warum leiden Sie dann so?«
    Ja, sie benahm sich wie eine Erwachsene – und war selbst überrascht, mit welcher Gelassenheit sie versuchte, den Verrückten neben sich in Schach zu halten.
    Er scheint zu zögern.
    »Darauf weiß ich keine Antwort. Vielleicht, weil ich schon viele Male verlassen worden bin. Vielleicht, weil ich mir selber beweisen muss, dass ich es kann. Vielleicht, weil ich gelogen habe und es für mich keine andere Frau gibt, sondern nur die eine. Außerdem – ich habe einen Plan.«
    »Was für einen Plan?«
    »Das sagte ich Ihnen bereits. Ich werde ein paar Welten zerstören, bis Ewa endlich merkt, wie wichtig sie für mich ist. Dass ich jedes Risiko eingehen werde, um sie zurückzubekommen.«
    Die Polizei!
    Beide bemerken einen sich nähernden Polizeiwagen.
    »Verzeihung«, sagt der Mann. »Ich hatte eigentlich vor, mich noch etwas länger mit Ihnen zu unterhalten. Auch zu Ihnen ist das Leben nicht gerecht.«
    Olivia begreift, dass dies das Todesurteil ist. Und da sie nun nichts mehr zu verlieren hat, macht sie Anstalten, aufzustehen. Aber der Fremde legt

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