Der Sieger bleibt allein (German Edition)
fange an, mich zu fragen, ob es lohnt, dies zu tun, weil du nichts zu begreifen scheinst. Dein Herz ist tot.
»Von wem ist die sms ?«
»Keine Ahnung. Die Nummer wird nicht angezeigt. Aber einen geheimen Verehrer zu haben tut immer gut.«
17 Uhr 15
Drei Morde. Innerhalb weniger Stunden sind 50% mehr Morde begangen worden als sonst in einem ganzen Jahr.
Savoy geht zum Wagen und stellt eine besondere Funkfrequenz ein.
Die Stimme auf der anderen Seite murmelt irgendetwas. Das statische Rauschen zerhackt ein paar Worte, aber Savoy versteht, was gesagt wird.
»Ich bin mir nicht sicher. Aber ich habe auch keine Zweifel.«
Noch mehr Kommentare, noch mehr Rauschen.
»Ich bin nicht verrückt, Monsieur, ich widerspreche mir nicht. So bin ich zwar beispielsweise nicht sicher, dass mein Gehalt am Monatsende überwiesen wird, aber ich habe dennoch keinen Zweifel daran: Habe ich mich verständlich gemacht?«
Rauschen und eine ärgerliche Stimme am anderen Ende.
»Ich rede hier nicht von einer Gehaltserhöhung, sondern davon, dass Gewissheiten und Zweifel nebeneinander existieren können, vor allem in einem Beruf wie dem unseren. Es ist durchaus möglich, dass in den Fernsehnachrichten von drei Morden die Rede ist, denn der Mann im Krankenhaus ist gerade gestorben. Selbstverständlich wissen nur wir, dass alle diese Morde auf äußerst raffinierte Art und Weise begangen wurden, und deshalb wird niemand vermuten, dass sie etwas miteinander zu tun haben könnten. Aber Cannes wird plötzlich als eine unsichere Stadt wahrgenommen. Und wenn das morgen so weitergeht, wird darüber spekuliert werden, ob es sich um einen einzigen Mörder handelt. Was soll ich also tun?«
Aufgeregte Kommentare am anderen Ende der Leitung.
»Ja, sie sind schon da. Der Junge, der den Mord gesehen hat, erzählt ihnen gerade alles. Zurzeit wimmelt es hier nur so von Fotografen und Journalisten. Ich dachte, sie stünden alle am roten Teppich, aber da habe ich mich offensichtlich geirrt. Offenbar gibt es dort nur viele Reporter und nichts zu berichten.«
Noch mehr aufgeregte Kommentare. Savoy zieht einen Block aus der Tasche, notiert eine Adresse.
»Ist gut. Ich werde gleich nach Monte Carlo fahren und ihn befragen.«
Das Rauschen hört auf. Der Teilnehmer am anderen Ende der Leitung hat aufgelegt.
Savoy geht bis zum Ende des Piers, stellt die Sirene auf dem Dach seines Wagens auf Höchstlautstärke und rast wie ein Wahnsinniger davon – er hofft, so die Reporter von dem jungen Mordzeugen weglocken zu können. Die aber kennen den Trick und fallen nicht darauf herein, interviewen den Jungen weiter.
Savoy ist elektrisiert. Endlich kann er den ganzen Papierkram einem Untergebenen überlassen und sich dem widmen, wovon er schon immer geträumt hat: Morde aufklären, die sich jeglicher Logik entziehen. Er hofft, er hat Recht mit seiner These, dass in der Stadt ein Serienmörder umgeht, der die Einwohner in Angst und Schrecken zu versetzen beginnt. So schnell, wie sich heutzutage Informationen verbreiteten, würde er bald schon im Scheinwerferlicht stehen: »Noch ist nichts bewiesen«, würde er erklären, aber in einem Ton, dass niemand ihm wirklich glauben würde, und so blieben die Scheinwerfer immer weiter auf ihn gerichtet, bis der Mörder gefasst wäre. Denn allem Glamour und Ruhm zum Trotz ist Cannes weiterhin nur eine kleine Provinzstadt – in der alle wissen, was los ist, und es würde nicht schwer sein, den Mörder zu finden.
Ruhm. Berühmtheit.
Denkt er etwa nur an sich anstatt an das Wohlergehen der Bürger?
Aber was ist schon falsch daran, selbst auch einmal ein bisschen berühmt sein zu wollen? Erlebt er nicht jedes Jahr wieder, wie alle während des Festivals zu glänzen versuchen? Das steckt alle an. Außerdem – wer möchte nicht seine Arbeit von der Öffentlichkeit anerkannt sehen, egal ob es Filmleute sind oder Polizisten?
›Hör auf, an Ruhm zu denken. Der kommt von allein, wenn du deine Arbeit gut machst. Der Ruhm ist ohnehin eine zweischneidige Sache: Stell dir vor, deine Mission geht schief – die Schmach ist dann ebenfalls öffentlich.
Konzentriere dich!‹
Zwanzig Jahre hat er nun schon auf allen möglichen Positionen bei der Polizei gearbeitet und ist verdientermaßen immer weiterbefördert worden. In dieser Zeit hat er begriffen, dass, um einen Verbrecher dingfest zu machen, in den meisten Fällen die Intuition genauso wichtig ist wie logisches Denken. Während er unter Sirenengeheul in Richtung Monte
Weitere Kostenlose Bücher