Der Sieger bleibt allein (German Edition)
eigentlich nicht erlaubt sind.
Drei Morde an einem Tag. Seine Gebete gelten natürlich den Familien der Toten, wie die Politiker in solchen Fällen auch immer beteuern. Selbstverständlich bezahlt ihn der Staat dafür, dass er für Ruhe und Ordnung sorgt, und nicht dafür, dass er sich freut, wenn auf so gewaltsame Art und Weise dagegen verstoßen wird. Wahrscheinlich läuft sein Vorgesetzter gerade in seinem Büro auf und ab, weil er nun gleich zwei Probleme gleichzeitig angehen muss: den Mörder finden (oder die Mörder, sofern ihm Savoys These einleuchtet) und die Presse in Schach halten. Überall herrscht höchste Alarmstufe, alle Kommissariate der Region sind bereits benachrichtigt, die Wagen per E-Mail mit einer Beschreibung des Mörders versorgt worden. Wahrscheinlich wurde auch die wohlverdiente Ruhe eines Politikers unterbrochen, weil der Polizeichef den Fall so heikel findet, dass er die Verantwortung gern auf eine höhere Ebene abschieben möchte.
Der Politiker wird bei diesem Köder allerdings nicht anbeißen, sondern dem Polizeichef nachdrücklich raten, dafür zu sorgen, dass baldmöglichst wieder Normalität in der Stadt einkehrt, da ›Millionen oder Hunderte von Millionen Euro auf dem Spiel stehen‹. Er möchte sich nicht mit dem Problem herumschlagen. Er hat Wichtigeres zu tun, wie beispielsweise den Wein auszusuchen, den er am Abend einer ausländischen Delegation kredenzen möchte.
›Und ich? Bin ich auf dem richtigen Weg?‹
Die verbotenen Gedanken kommen zurück: Savoy ist glücklich. Es ist der Höhepunkt seines bisherigen Berufslebens, in dem er bislang hauptsächlich Formulare ausgefüllt und sich um belanglose Dinge gekümmert hat. Er hätte nie gedacht, dass eine Situation wie diese ihn derart euphorisch stimmen würde – endlich kann er ein echter Detektiv sein, mit einer Theorie, die gegen jede Logik verstößt, für die er aber am Ende geehrt werden würde, weil er als Erster erkannte, was außer ihm keiner zu erkennen in der Lage war. Das alles würde er niemandem beichten, nicht einmal seiner Frau, die bestimmt entsetzt und schockiert wäre und seinen euphorischen Zustand dem Stress und dem gefährlichen Fall anlasten würde, der ihren Mann noch um den Verstand bringen könnte.
›Ich bin glücklich und aufgeregt‹, stellt er fest.
Sein Gebet gilt den Familien der Opfer. Sein Herz aber lebt nach Jahren der Lethargie wieder auf.
Anders, als es sich Savoy vorgestellt hat – eine große Bibliothek voller staubiger Bücher, Stapel von Zeitschriften in den Ecken, ein von ungeordneten Papieren bedeckter Tisch –, ist das Büro makellos weiß: ein paar geschmackvolle Lampen, ein bequemer Sessel, ein Glastisch mit einem riesigen Computerbildschirm darauf. Bis auf eine kabellose Tastatur und einen kleinen Notizblock mit einem luxuriösen Montegrappa-Füllfederhalter ist die Tischplatte vollkommen leer.
»Hören Sie auf zu lächeln, und zeigen Sie etwas mehr Besorgnis!«, sagt der weißbärtige Mann, der trotz der Hitze ein Tweedjackett, eine Krawatte und eine gutgeschnittene Hose trägt und mit seinem Outfit überhaupt nicht in dieses Büro passt.
»Was meinen Sie damit, Monsieur?«
»Ich weiß, wie Sie sich jetzt fühlen. Sie bearbeiten den Fall Ihres Lebens, und das an einem Ort, an dem sonst nie etwas passiert. Ich habe den gleichen inneren Konflikt erlebt, als ich in Penyce bei Swansea in West Glamorgan gearbeitet habe. Und wegen eines ganz ähnlichen Falles wurde ich schließlich nach London zu Scotland Yard versetzt.«
›Paris. Ich träume von Paris‹, denkt Savoy. Aber er sagt nichts. Der Engländer bittet ihn, Platz zu nehmen.
»Ich hoffe, Sie können Ihren Berufstraum verwirklichen. – Angenehm, Stanley Morris.«
Savoy wechselt das Thema.
»Der Kommissar befürchtet, die Presse könnte die These verbreiten, es handele sich um einen Serienmörder.«
»Sollen die Journalisten doch annehmen, was sie wollen, wir leben in einem freien Land. Solche Themen verkaufen sich gut, bringen Auflage für die Printmedien und ein wenig Aufregung in das Leben von Rentnern, die in einer Mischung aus Angst und der Gewissheit, dass ›uns so was nie passieren wird‹, das Voranschreiten der Ermittlungen in den Medien aufmerksam verfolgen.«
»Ich hoffe, Sie haben eine genaue Beschreibung der Mordopfer erhalten. Sind Ihrer Meinung nach die Morde für einen Serienmörder typisch, oder haben wir es mit einer Racheaktion der großen Drogenkartelle zu tun?«
»Ja, ich habe genaue
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