Der Sieger bleibt allein (German Edition)
dem Kind ist tatsächlich ein verantwortungsbewusster Erwachsener geworden? Ist der Teufel geläutert zu Gott zurückgekehrt?
»Freut mich sehr. Mein Name ist Gabriela...«
Hamid erwidert den Gruß nicht. Die Augen des anderen Mannes funkeln.
»Dort in der Ecke gibt es einen Tisch. Dort können wir uns hinsetzen«, schlägt Ewa vor.
Ein Tisch in der Ecke? Seine Frau will ihren Platz am Ehrentisch aufgeben und sich an einen Tisch in der Ecke setzen? Doch Ewa hat beide Männer bereits untergehakt und führt sie zum einzigen freien Tisch in der Nähe der Tür, aus der die Kellner kommen. Die »Schauspielerin« folgt ihnen. Hamid macht sich kurz los und geht zum Ehrentisch, um sich beim Gastgeber zu entschuldigen.
»Ich habe gerade einen Jugendfreund getroffen, der schon morgen früh wieder abreist, und da möchte ich mich eine Weile mit ihm unterhalten. Warten Sie bitte nicht auf uns, ich weiß nicht, wie lange es dauern wird.«
»Kein Problem«, antwortet lächelnd der Gastgeber, der weiß, dass die Plätze frei bleiben werden.
»Ich dachte, es sei ein Jugendfreund Ihrer Frau«, stichelt Ex-Miss-Europa erneut.
Doch Hamid ist bereits auf dem Weg zum schlechtesten Tisch im Saal – der für die Assistenten der Berühmtheiten bestimmt ist, die immer doch noch einen Weg finden, sich einzuschleichen, obwohl sie nicht erwünscht sind.
›Hamid ist ein anständiger Mensch‹, denkt der Gastgeber, während er den berühmten Modedesigner erhobenen Hauptes weggehen sieht. ›Der Beginn dieses Abends scheint sich für ihn allerdings recht schwierig zu gestalten.‹
Sie nehmen am Tisch in der Ecke Platz. Gabriela sieht darin eine einzigartige Chance – noch eine der einzigartigen Chancen, die sich an diesem Tag aufgetan haben. Sie sagt, wie glücklich sie über die Einladung sei und dass sie alles tun werde, um die in sie gesetzten Erwartungen zu erfüllen.
»Ich habe volles Vertrauen zu Ihnen. Ich habe den Vertrag unterzeichnet, ohne ihn vorher zu lesen.«
Die anderen drei sagen kein Wort, schauen einander nur an. Stimmt da irgendetwas nicht? Oder liegt es an der Wirkung des Champagners? Am besten redet sie weiter.
»Ich freue mich umso mehr, weil das Auswahlverfahren, im Gegensatz zu dem, was immer gesagt wird, sehr gerecht war. Keine Extragefälligkeiten. Beim Casting konnte ich noch nicht mal meinen Text zu Ende sprechen, da wurde ich bereits unterbrochen und gebeten, mich zu einer Jacht zu begeben, um dort mit dem Regisseur zu reden. Ihre Kollegen sollten sich an Ihnen ein Beispiel nehmen, Monsieur Hussein, ich meine, sie behandeln die Leute, mit denen Sie arbeiten wollen, sehr respektvoll und anständig... Die Filmwelt hat den Ruf, dass immer nur eins wichtig ist...«
Sie wollte gerade sagen, ›mit dem Produzenten zu schlafen‹, doch er sitzt neben seiner Frau.
»... das Aussehen.«
Der Kellner bringt die Vorspeise und beginnt den von ihm erwarteten Monolog abzuspulen:
»Als Vorspeise Artischockenherzen an mit Kräutern verfeinerter Dijon-Senf-Sauce, dazu dünne Scheibchen Pyrenäenziegenkäse...«
Nur die junge Frau hört lächelnd zu. Der Kellner begreift, dass er unerwünscht ist, und geht.
»Das sieht ja köstlich aus!«
Sie blickt ihre Tischgenossen an. Keiner von ihnen hat bislang das Besteck in die Hand genommen. Irgendetwas stimmt hier wirklich nicht.
»Sie wollen miteinander reden, nicht wahr? Vielleicht ist es besser, ich setze mich an einen anderen Tisch.«
»Ja«, sagt Hamid.
»Nein, bleiben Sie hier!«, sagt seine Frau.
Was soll sie jetzt machen?
»Mögen Sie Ihren Begleiter?«, fragt die Frau.
»Ich habe Gunther gerade erst kennengelernt.«
Gunther? Hamid und Ewa schauen den ungerührt dasitzenden Igor an.
»Und was macht Gunther so?«
»Aber Sie sind doch seine Freunde?«
»Ja. Und wir wissen, was er macht. Wir wissen nur nicht, wie gut Sie sein Leben kennen.«
Gabriela wendet sich an Igor. Warum hilft er ihr nicht?
Jemand kommt und erkundigt sich, ob sie lieber Rot- oder Weißwein trinken möchten.
Ein Fremder hat sie gerade gerettet.
»Rotwein für alle«, bestellt Hamid.
»Um noch einmal auf die Frage zurückzukommen: ›Was macht Gunther so?‹«
Diesmal wurde sie nicht gerettet.
»Schwere Maschinen, soweit ich verstanden habe. Wir haben keine enge Beziehung, uns hat nur zusammengebracht, dass wir beide auf Freunde gewartet haben, die nicht gekommen sind.«
Gute Antwort, denkt Gabriela. Wer weiß, ob die Frau nicht eine geheime Liebschaft mit ihrem neuen
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