Der Sieger bleibt allein (German Edition)
sondern auch unsere Dienstleistungen verkaufen können. Als erste Schritte in diese Richtung sind einige wichtige Maßnahmen erforderlich, wie beispielsweise der Bau eines internationalen Flughafens. Wir brauchen Land, damit ausländische Investoren ihre Gebäude darauf errichten können.
Mein Traum ist also recht und billig und meine Absicht gut. Wir werden Finanzspezialisten brauchen. Und du warst ja bei meinem Gespräch mit deinem Vater dabei.«
Bei der Audienz waren auch ein gutes Dutzend Berater zugegen. Hamid hatte Angst, konnte sie aber im Zaum halten und verbergen, denn sein Herz wusste bereits die Antworten auf die Fragen, die ihm der Scheich gleich stellen würde.
»Was möchtest du machen?«
»Haute Couture.«
Die Berater wechselten erstaunte Blicke. Wahrscheinlich wussten sie nicht genau, was damit gemeint war.
»Haute Couture studieren. Die meisten der von meinem Vater aufgekauften Stoffe werden an Ausländer weiterverkauft, die damit ihrerseits, wenn sie sie zu Luxuskleidungsstücken verarbeiten, hundertmal so große Gewinne machen wie er. Ich bin sicher, dass wir das hier auch machen können. Ich bin überzeugt davon, dass die Mode ein Mittel sein kann, Vorurteile auszuräumen, die der Rest der Welt uns gegenüber hegt, der meint, die arabische Welt verstehe nichts von Mode.«
Ein Raunen ging durch die Reihe der Berater. Mode wollte er machen? Mode war etwas für die Menschen der westlichen Welt, die mehr am Äußeren eines Menschen interessiert waren als an dessen inneren Werten.
»Andererseits ist der Preis, den mein Vater zahlt, sehr hoch. Mir wäre es lieber, er bliebe in seinem Haus. Ich werde mit seinen Stoffen arbeiten, und wenn Gott, der Barmherzige, es will, wird es mir gelingen, meinen Traum zu verwirklichen. Wie Eure Hoheit kenne auch ich mein Ziel.«
Die Berater hörten verblüfft, wie ein Jüngling den großen Herrscher herausforderte und sich sogar weigerte, den Wunsch seines Vaters zu erfüllen. Doch der Scheich antwortete lächelnd:
»Wo willst du Haute Couture studieren?«
»In Frankreich. In Italien. Bei den großen Meistern der Zunft. Es gibt auch Universitäten, aber praktische Erfahrung ist durch nichts zu ersetzen. Es ist sehr schwierig, aber wenn Gott, der Barmherzige, es will, wird es mir gelingen.«
Der Scheich bat ihn, am Nachmittag wiederzukommen. Hamid schlenderte am Hafen entlang, besuchte den Basar, war hingerissen von den Farben, den Stoffen, den Stickereien – er war glücklich, dort herumstreifen zu können. Er stellte sich vor, dass dies alles bald schon zerstört werden würde, und das machte ihn traurig, weil damit ein Teil der Vergangenheit, der Tradition verlorengehen würde. War es möglich, den Fortschritt aufzuhalten? War es klug, die Entwicklung einer Nation zu behindern? Hamid erinnerte sich an die vielen schlaflosen Nächte, in denen er bei Kerzenlicht die Trachten der Beduinen gezeichnet hatte, weil er fürchtete, dass sie mit den Stammesbräuchen verschwinden würden, die von der neuen Zeit der Baukräne und ausländischen Investoren zerstört wurden.
Zum angegebenen Zeitpunkt kehrte er in den Palast zurück. Der Herrscher war nun von noch mehr Leuten umringt.
»Ich habe zwei Entscheidungen getroffen«, sagte der Scheich. »Erstens: Ich werde ein Jahr lang die Kosten für deine Ausbildung übernehmen. Ich denke, am Finanzwesen interessierte junge Leute gibt es genug, aber bislang hat sich noch niemand an mich gewandt, der an Schneiderei ein Interesse hat. Mir kommt es etwas verrückt vor, aber alle sagen, dass auch meine Träume verrückt sind, und dennoch bin ich dahin gelangt, wo ich heute stehe. Also kann ich meinem eigenen Beispiel schlecht zuwiderhandeln.
Andererseits hat keiner meiner Berater Kontakte zu den Leuten, die du erwähnt hast, also werde ich dir ein kleines Monatsgehalt zahlen, damit du nicht auf der Straße betteln gehen musst. Wenn du zurückkehrst, wirst du es als Sieger tun. Du repräsentierst unser Land, und die Leute dort müssen lernen, unsere Kultur zu achten. Bevor du losfährst, musst du die Sprachen der Länder lernen, in die du gehen wirst. Welche wären das?«
»Englisch, Französisch, Italienisch. Ich danke für Eure Großzügigkeit, möchte aber, dass mein Vater...«
Der Scheich bedeutete ihm mit einer Handbewegung zu schweigen.
»Meine zweite Entscheidung lautet wie folgt: Das Haus deines Vaters wird stehenbleiben. In meinen Träumen wird es von Wolkenkratzern umringt sein, die Sonne wird nicht mehr in die
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