Der Sieger bleibt allein (German Edition)
jetzt auf dem Weg ins Labor ist. Er ist allenfalls ein kleiner, polizeibekannter Dealer, der schon Gefängnisaufenthalte hinter sich hat, allerdings nie wegen Körperverletzung.
Olivia ist hübsch, auch als Tote. Dichte Augenbrauen, kindliches Gesicht, wohlgeformte Brüste...
›Ich darf mich nicht ablenken lassen. Ich bin doch Profi.‹
Der Gerichtsmediziner lächelt – und Savoy ist von seiner arroganten Art leicht irritiert. Der Pathologe zeigt auf eine kleine, kaum merkliche rötliche Druckstelle zwischen der linken Schulter und dem Hals des Mädchens.
Dann zeigt er auf eine ähnliche Druckstelle zwischen zwei Rippen auf der rechten Körperhälfte.
»Ich könnte jetzt mit technischen Details kommen wie Obstruktion der vena jugularis und der arteria carotis . Einfach ausgedrückt: Ihre Halsschlagader wurde abgedrückt, und zugleich wurde ein ähnlicher Druck auf einen bestimmten Nervenstrang dermaßen präzise ausgeübt, dass dies zu einer vollständigen Lähmung des Oberkörpers geführt hat...«
Savoy sagt nichts. Der Pathologe begreift, dass das jetzt nicht der Augenblick ist, den Inspektor mit Fachchinesisch zu beeindrucken oder andere Spielchen zu spielen. Manchmal fragte er sich, ob er nicht den falschen Beruf gewählt hatte, denn er hatte immer nur mit ernsten Dingen zu tun. Seine Kinder mochten nicht recht sagen, dass ihr Vater jemand war, der Leichen obduzierte, und bei Abendeinladungen konnte er nie über seinen Beruf sprechen, weil die Leute das viel zu makaber fanden.
»Oder, noch einfacher: Sie ist erstickt worden.«
Savoy schweigt weiter. Sein Gehirn arbeitet auf Hochtouren: Am helllichten Tag mitten auf der Croisette erstickt?
Die Eltern sind schon befragt worden: Das Mädchen hatte morgens das Haus verlassen, um den von ihren Eltern hergestellten Schmuck auf der Croisette zu verkaufen. Da Straßenhändler keine Steuern zahlen, war ihre Arbeit illegal.
Doch das ist in diesem Zusammenhang unwichtig.
»Aber«, fährt der Pathologe fort, »da gibt es etwas sehr Eigenartiges. Normalerweise tauchen bei Ersticken oder Erwürgen an beiden Schultern Abdrücke auf – anders gesagt, man hat es mit dem klassischen Fall zu tun, bei dem jemand den Hals des Opfers packt, während dieses sich heftig wehrt und versucht sich zu befreien. In diesem Fall aber hat eine Hand, besser gesagt, ein Finger verhindert, dass das Blut das Gehirn erreicht, während der andere Finger die Lähmung des Körpers bewirkte, der deswegen nicht reagieren konnte. Das verlangt großes Können und hervorragende Anatomiekenntnisse.«
»Sie könnte doch woanders getötet worden sein und dann an die Stelle gebracht, an der wir sie gefunden haben.«
»Wäre das der Fall, gäbe es Schleifspuren an ihrem Körper. Danach habe ich als Erstes gesucht, wobei ich auch die Möglichkeit in Betracht gezogen habe, dass sie von mehr als einer Person getötet wurde. Da ich nichts gefunden habe, habe ich nach Indizien gesucht, die dafür sprechen, dass sie an Beinen und Armen festgehalten wurde, falls es mehr als einen Täter gab. Nichts. Außerdem gibt es, und ich will jetzt nicht näher darauf eingehen, bei Eintritt des Todes verschiedene körperliche Reaktionen, die Spuren hinterlassen. Wie Urin beispielsweise, und...«
»Und was wollen Sie damit sagen?«
»Dass sie an der Stelle ermordet wurde, an der sie gefunden wurde. Dass es aufgrund der Fingerabdrücke nur einen Täter gab. Dass sie den Täter kannte, denn niemand hat gesehen, dass sie zu fliehen versuchte. Dass er links von ihr gesessen haben muss. Dass er in dieser Technik ausgebildet worden sein muss, große Erfahrung in Martial Arts hat.«
Savoy dankt ihm mit einem Nicken und geht schnell zum Ausgang. Gleichzeitig ruft er die Polizeiwache an, in der der junge Mann gerade verhört wird.
»Vergesst die Drogengeschichte«, sagt er. »Ihr habt einen Mörder vor euch. Bekommt heraus, was er über Kampfkunst weiß. Ich bin auf dem Weg zu euch.«
»Nein«, entgegnet die Stimme am anderen Ende der Leitung, »fahren Sie ins Hôpital Pierre Nouveau! Ich glaube, wir haben da noch ein Problem.«
13 Uhr 28
Eine Möwe flog über einen Strand am Persischen Golf, als sie eine Maus sah. Sie kam vom Himmel herunter und fragte das Nagetier:
»Wo sind deine Flügel?«
Jedes Tier spricht seine eigene Sprache, und die Maus verstand die Möwe nicht. Doch sie bemerkte, dass bei dem Tier vor ihr seltsame Dinge aus dem Körper ragten.
›Es muss an einer Krankheit leiden‹, dachte
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