Der Sieger bleibt allein (German Edition)
Fenster scheinen, und er wird am Ende wegziehen. Aber das Haus wird für immer dort stehenbleiben. In Zukunft werden sich die Leute an mich erinnern und sagen: »Er war groß, weil er sein Land verändert hat. Und er war gerecht, weil er das Recht eines Stoffhändlers geachtet hat.«
Der Hubschrauber landet am äußersten Ende des Piers, und Hamid verdrängt die Erinnerung. Er steigt als Erster aus und reicht Ewa die Hand, um ihr zu helfen. Er blickt voller Stolz auf die blonde Frau, deren weiße Kleidung in der Sonne leuchtet und die mit der freien Hand den eleganten, zart beigen Hut auf ihrem Kopf festhält. Sie gehen zwischen den Reihen der zu beiden Seiten ankernden Jachten zum Wagen, dessen Fahrer sie an der geöffneten Tür erwartet.
Hamid nimmt die Hand seiner Frau und flüstert ihr ins Ohr:
»Ich hoffe, der Lunch hat dir gefallen. Unsere Gastgeber sind große Kunstsammler. Und dass sie uns einen Hubschrauber zur Verfügung gestellt haben, war sehr großzügig von ihnen.«
»Ich fand es wunderbar.«
Tatsächlich aber hätte Ewa am liebsten gesagt: ›Ich fand es furchtbar. Außerdem habe ich Angst. Ich habe eine sms auf meinem Handy erhalten und weiß, von wem sie stammt, auch wenn mir die Nummer nichts sagt.‹
Sie steigen in den Maybach ein. Die Klimaanlage ist auf Idealtemperatur eingestellt, die Musik passt genau zu einem Augenblick wie diesem – kein Lärm von außen kann zu ihnen hereindringen. Er setzt sich in den bequemen Ledersitz, streckt die Hand zur Wurzelholzkonsole zwischen beiden Sitzen aus und fragt Ewa, ob sie etwas eiskalten Champagner möchte. Nein, ein Mineralwasser tut es auch.
»Ich habe gestern, bevor wir zum Abendessen gingen, in der Hotelbar deinen Exehemann gesehen.«
»Unmöglich. Er war noch nie geschäftlich in Cannes.«
Sie hätte gern gesagt: ›Womöglich hast du recht, ich habe eine sms auf meinem Handy. Wir sollten das erstbeste Flugzeug nehmen und sofort abreisen.‹
»Ich bin mir ganz sicher.«
Hamid bemerkt, dass seine Frau keine große Lust hat, sich zu unterhalten. Er ist dazu erzogen worden, die Privatsphäre derer, die er liebte, zu respektieren, und versucht, an etwas anderes zu denken.
Er fragt Ewa, ob sie etwas dagegen hat, wenn er kurz seinen Broker in New York anruft. Er hört sich geduldig ein paar Sätze an und unterbricht dann höflich den Bericht über die Markttendenzen. Der Anruf dauert nicht länger als zwei Minuten.
Als Nächstes ruft er den Regisseur an, den er für seinen ersten Film ausgewählt hat. Jener ist auf dem Weg zum Jachthafen, um sich dort mit dem Hauptdarsteller zu treffen – und ja, die Hauptdarstellerin, ein junges Mädchen, würde um zwei Uhr dazukommen.
Er wendet sich wieder Ewa zu. Doch sie hat offensichtlich noch immer keine Lust, sich zu unterhalten, schaut ins Leere, sieht nichts von dem, was sich außerhalb der Scheiben der Limousine abspielt. Vielleicht macht sie sich ja Sorgen, weil sie im Hotel wenig Zeit haben würde. Sie mussten sich beide schnell umziehen, um dann zu einer nicht besonders wichtigen Modenschau einer belgischen Modeschöpferin zu gehen. Er musste dieses afrikanische Model, eine gewisse Jasmine, unbedingt mit eigenen Augen sehen, denn seine Berater hatten ihm gesagt, sie sei das ideale Gesicht für seine nächste Kollektion.
Er hofft, dass das Mädchen mit dem Druck einer Veranstaltung in Cannes fertig wird. Wenn alles gut läuft, wird sie einer der Stars der Pariser Modewoche im Oktober sein.
Ewa starrt weiter aus dem Wagenfenster. Was draußen vor sich geht, ist ihr egal. Sie kennt den gutgekleideten, kreativen, kämpferischen Mann mit den sanften Umgangsformen, der an ihrer Seite sitzt, sehr gut. Sie weiß, wie sehr er sie liebt. Sie kann ihm vertrauen, braucht die schönsten Frauen der Welt, die ihn ständig umgeben, nicht zu fürchten. Er ist ein ehrlicher, hart arbeitender Mann, der etwas wagte, der schon viele Herausforderungen gemeistert hat, um heute in einer Luxuslimousine mit Chauffeur herumzufahren und seiner Frau Champagner oder ihr Lieblingsmineralwasser in einem Kristallglas anbieten zu können.
Er ist mächtig, imstande, sie vor jeder Gefahr zu beschützen, nur vor einer nicht, der schlimmsten von allen.
Vor ihrem Exehemann.
Sie möchte jetzt keinen Verdacht wecken, indem sie zu ihrem Handy greift, um die sms noch einmal zu lesen. Außerdem kennt sie sie bereits auswendig.
›Ich habe eine Welt für dich zerstört, Katyusha.‹
Sie versteht nicht, was das bedeutet.
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