Der Sieger bleibt allein (German Edition)
er seine Zeit in Frankreich dazu nutzen, so viel wie möglich mit Ewa zusammen zu sein, sie allen interessanten Leuten vorzustellen, am Strand spazieren zu gehen, allein mit ihr in einem unbekannten Restaurant in einem der Nachbarorte zu essen, Hand in Hand mit ihr durch die Weinberge zu streifen, die er jetzt dort unten sehen kann.
Er hatte immer geglaubt, außerstande zu sein, Leidenschaft für etwas anderes als seine Arbeit zu empfinden, obwohl die Liste seiner Eroberungen etliche Frauen enthielt, um die ihn viele beneidet hatten. Als Ewa in sein Leben getreten war, hatte er ganz neue Seiten an sich entdeckt. Sie sind jetzt zwei Jahre zusammen, und seine Liebe ist stärker und tiefer als je zuvor.
Er liebt leidenschaftlich.
Er, Hamid Hussein, einer der meistgefeierten Modedesigner, das Aushängeschild eines internationalen Luxuskonzerns. Er, der gegen alles und alle gekämpft hatte, dem es gelungen ist, die Vorurteile gegen Menschen aus dem Nahen Osten auszuräumen, die zudem noch einer anderen Religion angehörten. Die uralte Weisheit seines Stammes hatte ihm geholfen, zu überleben, zu lernen und sich schließlich ganz zur Weltspitze hochzukämpfen. Er stammte nicht, wie viele annahmen, aus einer reichen Familie, die in Öldollars schwamm. Sein Vater war Stoffhändler gewesen und hatte eines schönen Tages die Gunst des Scheichs erlangt, weil er sich einem Befehl verweigerte.
Wenn Hamid bei einer Entscheidung unsicher war, erinnerte er sich gern an das, was sein Vater ihm vorgelebt hatte: den Mächtigen gegenüber ›nein‹ zu sagen, auch wenn man damit ein hohes Risiko einging. Meistens war er damit erfolgreich gewesen. Und in den seltenen Fällen, wo es sich als nachteilig erwies, waren die Folgen bei weitem nicht so schwerwiegend gewesen, wie er befürchtet hatte.
Sein Vater hatte den Erfolg seines Sohnes nicht mehr miterleben können. Damals, als der Scheich begann, alle Grundstücke in diesem Teil der Wüste aufzukaufen, um eine der modernsten Städte der Welt zu bauen, hatte sein Vater den Mut gehabt, zu dessen Abgesandten zu sagen:
»Ich werde nicht verkaufen. Meine Familie lebt seit vielen Jahrhunderten auf diesem Grund und Boden. Hier haben wir unsere Toten begraben. Hier haben wir den Stürmen und den Invasoren getrotzt. Man verkauft den Ort nicht, den Gott uns in dieser Welt übergeben hat, damit wir ihn pflegen.«
Die Abgesandten erhöhten den Kaufpreis. Aber sie erreichten nichts und zogen verärgert ab, entschlossener denn je, Hamids Vater von seinem Grund und Boden zu vertreiben. Auch der Scheich war ungehalten – er hatte große Pläne und wollte sein Projekt schnell umsetzen. Der Preis des Erdöls war auf dem internationalen Markt gestiegen, der Gewinn musste schnell genutzt werden, denn wenn die Erdölreserven erst erschöpft waren, würde es nicht mehr möglich sein, eine ausländische Investitionen anziehende Infrastruktur zu schaffen. Hamids Vater wies weiterhin jedes Kaufangebot zurück. Bis der Scheich eines Tages beschloss, persönlich mit ihm zu sprechen. Hamid, der seinen Vater begleitet hatte, erinnert sich noch gut daran.
»Ich kann dir alles anbieten, was du wünschst«, sagte der Scheich zum Stoffhändler.
»Dann gebt mir eine gute Ausbildung für meinen Sohn. Er ist jetzt sechzehn, und hier hat er keine Zukunft.«
»Im Gegenzug gibst du mir dieses Haus.«
Es folgte ein langes Schweigen, bis Hamid seinen Vater, der dem Scheich fest in die Augen blickte, etwas ganz Unerwartetes sagen hörte:
»Mein Herr, es ist Eure Pflicht, Eure Untertanen auszubilden. Ich kann die Zukunft meiner Familie nicht gegen deren Vergangenheit eintauschen.«
Hamid erinnert sich an die ungeheure Trauer in den Augen seines Vaters, als dieser fortfuhr:
»Wenn aber mein Sohn nur so eine Chance in seinem Leben bekommen kann, dann nehme ich Euer Angebot an.«
Der Scheich ging wortlos hinaus. Am nächsten Tag bat er den Händler, ihm seinen Sohn zu schicken, damit sie sich unterhielten. Der Weg zum Palast führte Hamid an gesperrten Straßen vorbei, an riesigen Kränen, unermüdlich schuftenden Arbeitern, an Häuserblocks, die gerade abgerissen wurden, bis hinunter zum alten Hafen.
Der Herrscher kam gleich zur Sache.
»Du weißt, dass ich das Haus deines Vaters kaufen will. Das Erdöl in unserem Land geht zur Neige, und bevor die Quellen versiegen, müssen wir unsere Abhängigkeit vom Erdöl beenden und neue Wege finden. Wir werden der ganzen Welt beweisen, dass wir nicht nur unser Erdöl,
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