Der Sieger bleibt allein (German Edition)
eine von Millionen von Menschen auf dieser Welt, die immer schon davon geträumt haben, auf einer solchen Jacht zu sein und über die Möglichkeit zu reden, mit wenigstens einem von Ihnen zu arbeiten. Und das wissen Sie beide. Außerdem glaube ich, dass ich nichts sagen könnte, was irgendetwas ändern würde. Ob ich ledig bin? Ja. Wie bei den meisten ledigen Frauen gibt es auch in meinem Leben einen Mann, der unsterblich in mich verliebt ist und in Chicago auf mich wartet und gerade jetzt, in diesem Augenblick, die Daumen drückt, dass möglichst alles schiefgeht.«
Die beiden Männer lachen. Gabriela entspannt sich noch etwas.
»Ich will kämpfen, um mein Menschenmögliches zu erreichen, obwohl ich weiß, dass ich fast an der Grenze meiner Möglichkeiten angelangt bin, weil mein Alter nach den Gesetzen des Filmgeschäfts bereits anfängt, ein Problem zu sein. Ich weiß, dass es viele Menschen gibt, die genauso begabt oder noch begabter sind als ich. Ich wurde ausgewählt, warum und wozu, weiß ich allerdings nicht genau. Aber ich habe beschlossen, die Chance zu nutzen, die Sie mir bieten, vielleicht ist es ja meine letzte. Vielleicht mindert die Tatsache, dass ich das ausspreche, gerade meinen Wert, doch ich habe keine andere Wahl. Ich habe mein ganzes Leben davon geträumt, bei einem Casting ausgewählt zu werden und mit echten Profis arbeiten zu können. Jetzt könnte es so weit sein. Sollte es nach diesem Treffen nicht weitergehen, sollte ich mit leeren Händen nach Hause zurückkehren, so weiß ich wenigstens, dass ich gekämpft und es zwei Eigenschaften zu verdanken habe, überhaupt so weit gekommen zu sein: Integrität und Beharrlichkeit. Ich bin meine eigene beste Freundin und meine ärgste Feindin. Auf dem Weg hierher habe ich mir gesagt, dass ich diese Chance nicht verdiene und dass Sie wahrscheinlich die Falsche ausgewählt haben. Gleichzeitig sagte mir mein Herz, dass ich dafür belohnt worden bin, dass ich beharrlich gekämpft und nicht aufgegeben habe.«
Gabriela wendet den Blick ab und spürt, wie Tränen in ihr aufsteigen. Doch sie beherrscht sich, denn Tränen könnten als emotionaler Erpressungsversuch gedeutet werden. Die schöne Stimme des Filmstars unterbricht die Stille.
»Wie in jeder Industrie gibt es auch im Filmgeschäft ehrliche Menschen, die professionelle Arbeit schätzen. Deshalb bin ich da, wo ich heute stehe. Und das Gleiche gilt auch für unseren Regisseur. Was Sie eben durchmachen, habe ich ebenfalls durchgemacht. Wir beide wissen, wie Sie sich fühlen.«
Ihr ganzes Leben läuft vor ihrem inneren Auge ab. All die Jahre, in denen sie erfolglos gesucht hat, an Türen geklopft, die sich nicht öffneten, gefragt hat, ohne eine Antwort zu erhalten. Bis heute hat sie nur Gleichgültigkeit erfahren, als würde sie gar nicht existieren. All die Absagen, die sie bekommen hat, obwohl sie doch zumindest eine Chance verdient gehabt hätte.
›Ich darf jetzt nicht weinen!‹, sagt sie sich.
Sie denkt an all die Menschen, die ihr gesagt hatten, sie würde einem unerfüllbaren Traum nachjagen, und die, wenn sie am Ende doch Erfolg hätte, sagen würden: ›Ich hab’s ja immer gewusst, dass du begabt bist!‹ Ihre Lippen zittern, ihre Gefühle lassen sich nicht länger zurückhalten. Sie ist froh, den Mut gehabt zu haben, sich menschlich und schwach zu zeigen und auch, wie sehr es ihrer Seele gut getan hat, ausgewählt worden zu sein. Sollte Gibson jetzt seine Wahl bereuen, könnte sie ohne Bedauern das Boot zurück zum Anleger nehmen. Sie hatte im Augenblick des Kampfes Mut bewiesen.
Sie ist von anderen abhängig. Sie hat lange gebraucht, um das zu begreifen, aber jetzt hat sie es endlich akzeptiert. Gabriela kennt Menschen, die stolz auf ihre emotionale Unabhängigkeit sind, obwohl sie in Wahrheit ebenso zerbrechlich sind wie sie und heimlich weinen, aber niemals um Hilfe bitten. Diese Menschen glauben, dass »die Welt den Starken gehört« und dass nur »der Fähigste überlebt«. Wäre das tatsächlich so, gäbe es die Menschheit überhaupt nicht, denn sie ist eine Spezies, deren Nachkommen lange beschützt werden müssen. Ihr Vater hatte ihr einmal erzählt, dass der Mensch erst im Alter von neun Jahren die Fähigkeit erlangt, allein zu überleben, während eine Giraffe nur fünf Stunden braucht und eine Biene in weniger als fünf Minuten so weit ist.
»Woran denken Sie gerade?«, fragt der Filmstar.
»Dass ich nicht so tun muss, als wäre ich stark, und dass mich das sehr
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