Der Sieger bleibt allein (German Edition)
erleichtert. Ich habe in meinem Leben immer wieder Beziehungsprobleme gehabt, weil ich dachte, ich wüsste besser als alle anderen, wie ich mein Ziel erreichen könnte. Meine Liebhaber fanden mich immer wieder unmöglich, und ich wusste nicht, wieso. Als wir mit irgendeinem Stück auf Tournee waren, bekam ich eine schlimme Grippe, die mich ans Bett fesselte, sosehr ich mich auch dagegen wehrte, weil mich der Gedanke erschreckte, jemand anders könnte meine Rolle übernehmen. Ich konnte nichts essen, hatte Fieberdelirien; ein Arzt wurde gerufen, der mich nach Hause schickte. Ich glaubte, meine Arbeit und die Achtung meiner Kollegen verloren zu haben. Aber das Gegenteil geschah: Ich bekam Blumen und Anrufe. Alle wollten wissen, wie es mir ging. Menschen, die ich für meine Feinde gehalten hatte, weil sie mir den Platz im Rampenlicht hätten streitig machen können, machten sich Sorgen um mich! Eine Schauspielkollegin schickte mir eine Karte mit dem Text eines Arztes, der aufgebrochen war, um in einem fernen Land zu arbeiten:
›Wir kennen alle eine Krankheit in Zentralafrika – die Schlafkrankheit. Wir sollten wissen, dass es eine ähnliche Krankheit gibt, die die Seele angreift. Sie ist äußerst gefährlich, weil sie sich ganz unmerklich einstellt. Wenn man in der Beziehung zu seinesgleichen auch nur das geringste Anzeichen für Gleichgültigkeit und fehlende Begeisterung bemerkt, sollte man aufpassen! Die einzige Möglichkeit, sich vor dieser Krankheit zu schützen, ist, zu begreifen, dass unsere Seele leidet, und zwar sehr leidet, wenn wir sie dazu zwingen, oberflächlich zu leben. Die Seele liebt Schönes und Tiefgründiges.‹
Sätze. Der Filmstar erinnert sich an seine Lieblingszeile aus einem Gedicht, das er in der Schule gelernt hat und das ihn immer mehr beängstigt, je älter er wird:
Du würdest alles andre lassen müssen, ich allein würde
verlangen, der Einzige zu sein, nach dem du dich
ausschließlich ausrichtest.
Während die junge Schauspielerin von sich erzählt, kommen ihm seine eigenen Anfänge wieder in den Sinn. Die erste große Chance beim Film, die auch er dank seiner Begabung als Theaterschauspieler erhalten hatte. Damals hatte sich sein Leben von einem Augenblick zum anderen verändert, der Ruhm war schneller gewachsen als seine Fähigkeit, mit ihm umzugehen. Und so hatte er Einladungen an Orte angenommen, an denen er nicht hätte sein sollen, Begegnungen abgelehnt, die ihm geholfen hätten, in seiner Karriere weiterzukommen. Obwohl es anfangs nicht viel war, hatte ihm das Geld das Gefühl gegeben, dass er alles konnte und durfte. Es hatte teure Geschenke gegeben, Reisen an ferne Orte, Privatflugzeuge, Luxusrestaurants, Hotelsuiten, die den Gemächern von Königen und Königinnen ähnelten, wie er sie sich als Kind vorgestellt hatte. Die ersten Kritiken kamen: Respekt, Lob, Worte, die sein Herz und seine Seele berührten. Er erhielt Briefe aus aller Welt, und anfangs beantwortete er jeden einzelnen. Er verabredete sich auch mit den Frauen, die ihm Fotos geschickt hatten, bis er merkte, dass es ihm zu viel wurde – zumal ihm sein Agent nicht nur von solchen Treffen abgeraten, sondern ihn auch gewarnt hatte, er könne dabei in eine böse Falle tappen. Dennoch macht es ihm bis heute eine besondere Freude, sich mit seinen Fans zu treffen, die jeden seiner Karriereschritte begleiten, Internetseiten über ihn erstellen, Fanzines vertreiben, in denen sie alles aus seinem Leben erzählen – besser gesagt, ausschließlich die positiven Dinge –, und ihn vor jedem Angriff seitens der Presse in Schutz nehmen.
Und die Jahre waren vergangen. Was ihm ursprünglich wie ein Wunder oder als eine einmalige Chance erschienen war und wovon er sich nie hatte versklaven lassen wollen, wurde allmählich zum einzigen Lebenssinn. Bis er in sich hineinschaute und merkte, wie sein Herz sich zusammenzog: Das alles könnte eines Tages zu Ende sein. Es würden andere, jüngere Schauspieler auftauchen, die weniger Geld für mehr Arbeit und mehr Medienpräsenz akzeptierten. Immer hörte er nur Kommentare zu dem großen Film, der ihn berühmt gemacht hatte und den alle zitierten, obwohl er seither in 99 weiteren mitgemacht hatte, an die sich niemand recht erinnerte.
Er verdiente weniger Geld als früher. Da er davon ausgegangen war, dass es mit seiner Karriere immer weiter aufwärtsgehen würde, hatte er seinen Agenten dazu angehalten, seine Gagenforderungen hochzuhalten. Ergebnis: Er bekam immer
Weitere Kostenlose Bücher