Der Sieger bleibt allein (German Edition)
überflüssige Industrie etwa 50 Milliarden Dollar im Jahr umsetzt, ein riesiges Heer von Minen- und Transportgeschäften, privaten Sicherheitsgesellschaften, Großhändlern und Einzelhändlern in Luxusboutiquen beherrscht. Er weiß nicht, dass so ein Brillant in einem Schmuckstück aus dem Schlamm kommt und Blut an ihm klebt. Schlamm, in dem der Arbeiter sein Leben lang den Stein sucht, der ihm endlich den ersehnten Reichtum bringen soll. Ein Stein, der ihm zwanzig Dollar einbringt, wird den Käufer am Ende zehntausend Dollar kosten. Aber der Arbeiter ist zufrieden, weil dort, wo er lebt, die Menschen weniger als fünfzig Dollar im Jahr verdienen und fünf Steine schon für ein wenig Glück im Leben reichen. Einem kurzen Leben, da die Arbeitsbedingungen denkbar schlecht sind.
Die Steine gelangen in die Hände anonymer Käufer und von dort zu Söldnerheeren und Privatarmeen in Liberia, im Kongo oder in Angola. Dort begibt sich dann ein Mittelsmann zu einem Landeplatz, der von illegalen, bis an die Zähne bewaffneten Soldaten bewacht wird. Ein Flugzeug kommt, ein Mann im Anzug steigt mit einem Köfferchen aus und wird von einem Mann in Hemdsärmeln begrüßt. Die Begrüßung ist kühl. Der Mittelsmann in Hemdsärmeln übergibt dem Mann im Anzug kleine Päckchen. Diese kleinen Päckchen sind, möglicherweise aus Aberglauben, mit getragenen Strümpfen umwickelt.
Der Mann im Anzug zieht eine Speziallupe aus der Tasche, klemmt sie sich in sein linkes Auge und beginnt, die Steine einzeln zu überprüfen. Nach anderthalb Stunden hat er eine genaue Vorstellung von der Qualität der Steine; dann holt er eine elektronische Präzisionswaage aus seinem Koffer und schüttet den Inhalt der Strümpfe in die Waagschale. Auf einem Blatt Papier stellt er ein paar Berechnungen an. Danach werden die Diamanten zusammen mit der Waage in den Koffer gepackt, der Mann im Anzug gibt den bewaffneten Sicherheitskräften ein Zeichen, und fünf oder sechs von ihnen steigen wieder ins Flugzeug. Sie entladen große Kisten, die auf der Landepiste zurückbleiben, während das Flugzeug wieder abhebt. Das Ganze hat nicht mehr als einen halben Tag gedauert.
Die großen Kisten werden geöffnet. Präzisionsgewehre, Antipersonenminen, Kugeln, die beim ersten Aufprall explodieren und zig kleine tödliche Metallkugeln freigeben. Die Waffen werden den Söldnern und Soldaten übergeben, und bald kommt es zum nächsten, unvorstellbar grausamen Staatsstreich. Ganze Volksstämme werden hingemordet, Kinder verlieren wegen der Streumunition Arme und Beine, Frauen werden vergewaltigt. Währenddessen bearbeiten Tausende von Kilometern entfernt – üblicherweise in Antwerpen oder Amsterdam – ernste Männer hingebungsvoll die Steine, zerteilen sie, begeistert von der eigenen Geschicklichkeit, fasziniert von dem Blitzen, das von jeder neuen Facette dieses Stückchens Kohlenstoff ausgeht. Ein Diamant schneidet den Diamanten.
In einem Teil der Welt schreien Frauen verzweifelt unter rauchbedecktem Himmel, in einem anderen fällt der Blick aus hell erleuchteten Räumen auf schöne alte Häuser.
Im Jahr 2002 prangerte eine un -Resolution den Verkauf von Diamanten aus Kriegsgebieten an. 2003 wurde der Kimberley-Prozess in Gang gesetzt, bei dem es darum ging, die Herkunft der Steine zurückzuverfolgen und Juwelieren zu verbieten, Steine aus Konfliktgebieten zu kaufen. Eine Zeitlang kehrten die respektablen europäischen Diamantschleifer zum südafrikanischen Monopolisten zurück, um Steine zu kaufen. Doch dann wurden neue Mittel und Wege gefunden, um einen Diamanten »offiziell« zu machen, und die Resolution wurde zur Farce, die lediglich Politikern ermöglichte, sagen zu können, »dass sie etwas gegen die Blutdiamanten« tun.
Vor fünf Jahren hatte Igor Steine gegen Waffen getauscht, eine kleine Privatarmee geschaffen, um einem blutigen Konflikt im Norden Liberias zu beenden, was ihm gelungen war – nur die Mörder wurden getötet. Die Diamanten wurden an Juweliere in Amerika verkauft, die keine indiskreten Fragen stellten, und anschließend kehrte in die kleinen Dörfer wieder Frieden ein. Wenn die Gesellschaft nichts tut, um dem Verbrechen Einhalt zu gebieten, hat der Mensch das Recht, das selber in die Hand zu nehmen.
Vor ein paar Minuten hatte er es in die Hand genommen, sich der Polizei zu stellen. Trotzdem würde es wie üblich heißen:
»Wir tun alle Menschenmögliche, um den Mörder zu finden.«
Sollen sie nur. Das stets großzügige Schicksal
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